München. . Durchschnitt war noch keiner der bisher vier „Polizeiruf“-Folgen mit Matthias Brandt. Im Gegenteil: Hanns von Meuffels gehört zu Deutschlands besten Fernsehfahndern. Das ist in dem „Polizeiruf: Der Tod macht Engel aus uns allen“ nicht anders. Warum, bitte, verschenkt ihn die ARD in der Sommerpause?
Der Münchner „Polizeiruf 110“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) gehört zu den brillantesten Krimis des deutschen Fernsehens. Genau das ist sein Problem. Genau deswegen verbannt der Bayerische Rundfunk den fünften Fall des Blaublüters Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) in die Sommerpause, in die Zeit, in der das Fernsehen regelmäßig den Kampf gegen Gärten und Biergärten verliert. Dabei hat der Film „Der Tod macht Engel aus uns allen“ ein großes Publikum verdient.
Genauso wie der Bayerische Rundfunk mit seinem „Polizeiruf“ fremdelt, tut sich der zugereiste Preuße mit den Ermittlungsbehörden der bayerischen Landeshauptstadt schwer - zumal Meuffels diesmal auf Weisung von oben in den eigenen Reihen ermitteln muss.
Eine Transsexuelle ist in einem berüchtigten Polizeirevier zu Tode gekommen. War es ein Unglück, ein Unfall, Misshandlung mit Todesfolge oder im schlimmsten Fall vorsätzliche Tötung? Die Lebensgefährtin der Toten (grandios zwischen Trauer und Zorn: Lars Eidinger) hat Anzeige erstattet.
Preußische Korrektheit in der bayerischen Landeshauptstadt
Brandt lässt seinen Meuffels in bestem Sinn mit preußischer Korrektheit ermitteln, immun gegen Schlamperei und, vor allem, Kumpanei. Meuffels Reserviertheit mag auf den ersten Blick arrogant wirken. Tatsächlich aber schützt sie den Ermittler aber vor Einflüsterung und Einschüchterung.
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Das ist nötig. Denn die von den Ermittlungen betroffene Polizei-Einheit hat ihre Aussagen offenkundig abgesprochen. Zudem war die Kamera in der Gewahrsamszelle lange defekt, und niemand kam auf die Idee, sie reparieren zu lassen. Regelverstöße und deren stillschweigende Duldung sind der Nährboden für falsch verstandenen Corpsgeist in der Einheit. Schließlich bringen Meuffels eigene Kollegen den internen Aufklärer in Gefahr.
Polizeiruf zeigt die dunkle Seite der Staatsgewalt
Offensichtlich war der wache Blick auf der dunkle Seite der Staatsgewalt Grund für den lieblosen Sendetermin. Der Bayerische Rundfunk hat Angst vor seiner eigenen Courage. Es wäre das zweite Mal. Bereits bei Meuffels zweitem Fall „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ war der Sender zimperlich.
Aus angeblichen Jugendschutzgründen wurde der Krimi vom „Tatort“-Platz am Sonntag auf den späten Freitagabend verschoben. Dem Sender missfiel, dass der Terror-Fall einen vermeintlich schwachen Staat zeigte. Das wollte er zarten Kinderseelen nicht zumuten.
Und die Transsexuellen-Story? Sie bietet kein Wohlfühl-Fernsehen wie der „Tatort“ aus Münster, und sie bietet kein schlichtes Gut-Böse-Schema. Vielmehr ist der Krimi vielschichtig (verwirrend ist er nie). Regisseur Jan Bonny und sein Drehbuch-Autor Günter Schütter zeigen, was dazu führt, dass manch ein Straßenpolizist die Nerven verliert.
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Die betont realistische Inszenierung leuchtet die trüben Ecken einer vordergründig glitzernden Großstadt aus. Dreck und Drogen, Gier und Gewalt werden nicht ausgespart, mitten drin schlecht bezahlte Fahnder mit stressigem Schichtdienst, Ordnungshüter, die sich als Mülleimer der Gesellschaft fühlen. Einzig der interne Zusammenhält, so scheint es, lässt sie den Druck aushalten.
Das Ende wirkt wie ein Cliffhanger
Der Blick, den Regisseur und Autor auf diese Zustände werfen, ist keineswegs kalt. Im Gegenteil: Meuffels leidet daran. Am meisten aber leidet er mit dem Partner der Toten. Am Ende hat der preußische Polizist den Fall gelöst. Doch seine Seelenpein bleibt. Das Ende wirkt wie ein Cliffhanger. Wie geht es weiter mit Meuffels? Wie lange hält er dem Druck stand? Wie kann er sich aus der Falle befreien?