Essen. . Die Jugendwächterin des Bayerischen Rundfunks klagt über „die Vielzahl schrecklicher Bilder“, schimpft aber auch über die „Hilflosigkeit des Staates“. Das blieb nicht unumstritten.

Das ist ein Präzedenzfall, der Beachtung findet: Der Bayerische Rundfunk (BR) hat den Polizeiruf 110 „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, der ursprünglich am 25. September ausgestrahlt werden sollte, vom 20.15-Uhr-Sendeplatz verbannt.

„Im konkreten Fall ging es um das Abwägen zwischen der Wahrung der Freiheit der Kunst ohne Einschränkungen auf der einen Seite und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen durch die Beschränkung der Sendezeit für ein filmisches Kunstwerk auf der anderen Seite“, verteidigt BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs seine Entscheidung. Fuchs hatte sich der Argumentation der BR-Jugendschutzbeauftragten angeschlossen, die „die Vielzahl von schrecklichen Bildern nach einem Selbstmordattentat und die durchgängig gehaltene Spannung, durch die Angst vor einem weiteren Attentat“ geschürt werde, für Kinder als problematisch angesehen.

‘Nachhaltigen Angsterzeugung’ bei Kindern

In der Folge haben es Anna Maria Sturm und Matthias Brandt als Kommissarin Anna Burnhauser und Hauptkommissar Hans von Meuffels mit einem religiös motivierten Selbstmordattentäter zu tun. Der zündet, ausgerechnet in einem Tunnel, seine Bombe.

„Es galt eine Entscheidung zum Schutz von Kindern vor Gewaltdarstellungen zu treffen. Die Jugendschutzbeauftragte Sabine Mader hatte Szenen benannt, die aus ihrer Sicht zu einer ‘nachhaltigen Angsterzeugung’ bei Kindern führen können“, erklärt BR-Pressesprecher Christian Nitsche. Ein Terroranschlag sei eine für Bürger, insbesondere Kinder, nicht beherrschbare oder kontrollierbare Gefahr. Das war auch der Grund für die Entscheidung: Weil die Protagonisten ständig Angst haben müssten vor einer weiteren Bombenexplosion.

„Dennoch gehört die Anschlagsgefahr leider zur Lebensrealität auch in Europa. Eine filmische Bearbeitung ist selbstverständlich“, erläutert Nitsche weiter. Dem Regisseur Hans Steinbichler und den Darstellern ist ein realitätsnahes, filmisch beeindruckendes, ausgezeichnetes Werk gelungen.“

Jugendschutzkriterium „Hilfloser Staat“ gibt es nicht

Die zu Recht kritisierte zweite Argumentation der Jugendschutzbeauftragten, der „Film gefährde durch die Sicht auf einen hilflosen Staat die Entwicklung Jugendlicher“, habe Fuchs in seiner Entscheidung nicht beeinflusst. Wäre auch fatal gewesen. Denn Mader führt in ihrem Schreiben in Bezug auf die Hilflosigkeit des Staates aus: Alle, die zur staatlichen Ebene gehörten, würden in dem Polizeiruf mehr oder weniger als Hampelmänner vorgeführt – mit bürokratischen Hemmnissen, kaschierten Fehlern und Kompetenzgerangel.

Über solche Fälle berichten die Nachrichten allerdings täglich. Ein Jugendschutzkriterium „Hilfloser Staat“ gibt es nicht. Von daher wird man das Gefühl nicht los, dass Mader Zensur unter dem Deckmäntelchen des Jugendschutzes verstecken möchte. Das wäre tragisch.

Denn wie sagt es Regisseur Steinbichler: „Es ist schwer erträglich, nach Oslo über etwas zu diskutieren, das, angesichts der Schwere und Relevanz dieser Tat, fast unwichtig und überflüssig erscheint: nämlich über die Frage, ob ein Krimi um 20.15 Uhr oder aber um 22 Uhr im Deutschen Fernsehen zu sehen sein soll.“