Norden rüstet sich gegen Hochwasser - weiche Deiche gefährlich
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Berlin. Das Hochwasser hält Deutschland weiter in Atem. Die Flutwelle rollt nach Norddeutschland. Im Süden und Osten hinterlässt sie Zerstörung. Gefahr droht auch nach der Scheitelwelle von durchweichten Dämmen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den Menschen in den Flutgebieten erneut Unterstützung zu.
Das Hochwasser bedroht nun mit zerstörerischer Kraft den Norden Deutschlands. Bundesländer wie Niedersachsen und Brandenburg rüsteten sich für die anrollenden Wassermassen, die bereits im Süden und Osten große Verwüstungen angerichtet haben. Mehrere Deiche drohten unter dem Druck des Wassers zu brechen.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) schätzte allein die Schadensbilanz in Landwirtschaft und Fischerei am Donnerstag vorläufig auf 173 Millionen Euro. Die Summe werde noch weiter steigen, Schäden an Häusern und Infrastruktur ließen sich noch gar nicht beziffern. Insgesamt seien zwei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Mitleidenschaft gezogen worden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte den Menschen in den Flutgebieten erneut Unterstützung zu. "Ich glaube, dass man sich darauf verlassen kann, dass das Menschenmögliche getan wird", sagte sie bei einem Besuch in der Chemiestadt Bitterfeld. Dort drohte das Wasser eines Sees in die Innenstadt zu laufen. Merkel lobte die große Solidarität der Menschen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte Unterstützung zu, die über die Soforthilfe des Bundes von 100 Millionen Euro hinaus gehen solle.
Experten forden Umdenken im Hochwasserschutz
Nach Ansicht von Experten muss im Hochwasserschutz künftig aber umgedacht werden. "Die Deicherhöhungen sind an der Grenze", sagte beispielsweise Bernd Ettmer, Wasserbau-Experte der Hochschule Magdeburg-Stendal. "Für jeden Meter, den man nach oben baut, braucht man drei Meter in die Breite."
Hochwasser hält Deutschland in Atem
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Umweltschutzverbände kritisierten, dass Bundesländer den Hochwasserschutz aufgeweicht hätten. Deshalb gebe es zum Beispiel an der Elbe noch immer zu wenig Polderflächen, die Fluten auffangen könnten. Für sie seien Bebauungsverbote und Auflagen für die Landwirtschaft nötig.
Trotz sinkender Pegelstände drohen Bayern weitere Überschwemmungen
In Bayern sind trotz sinkender Pegelstände an der Donau tausende Menschen weiter von Hochwasser und Überschwemmungen bedroht. In der besonders gefährdeten Region um Deggendorf und Straubing ging das Wasser zwar leicht zurück. An einigen Stellen drohten die durchgeweichten Dämme aber weiterhin zu brechen. Insgesamt mussten mehr als 4000 Menschen in der Krisenregion ihre Häuser verlassen.
In Sachsen-Anhalt bleibt die Lage sehr ernst. Der Innenstadt von Bitterfeld drohte die Überflutung, weil der nahe Goitzschesee vollläuft. "Das Wasser steigt permanent", sagte Oberbürgermeisterin von Bitterfeld-Wolfen, Petra Wust. Auch in Halle blieb die Lage angespannt, obwohl der Pegelstand der Saale zurückging. Der Wasserspiegel der Elbe steigt weiter. In Magdeburg wird der Hochwasserscheitel für das Wochenende erwartet.
Elbe erreicht in Dresden nicht den befürchteten Pegel von neun Metern
Der Hochwasserscheitel der Elbe erreichte inzwischen Dresden. Mit einem Höchststand von 8,76 Metern schwoll der Fluss aber weniger stark an als vorhergesagt. Die Behörden hatten einen Höchststand um die neun Meter geschätzt. Normal sind knapp zwei Meter, bei der Jahrhundertflut 2002 wurden 9,40 Meter gemessen. Die Elbe wird aber noch mehrere Tage lang bei hohem Pegelstand auf die Deiche drücken. Die Frage ist, ob sie halten. Flussabwärts, im nordsächsischen Torgau, stieg das Wasser noch an. In Dresden gab es weitere Evakuierungen. Rund 9000 Haushalte waren ohne Strom.
In Niedersachsen wird das Elbe-Hochwasser vermutlich weniger bedrohlich als befürchtet. Prognosen für die höchsten Pegelstände wurden erneut um rund einen halben Meter nach unten korrigiert. Für Hitzacker werden nun für Dienstag und Mittwoch Höchststände von 7,65 Metern erwartet - 1,15 Meter weniger als noch vor zwei Tagen.
Die Brandenburger wird das Hochwasser noch tagelang in Atem halten. Die von Süden ins Land drängenden Wassermengen drückten auf die Deiche. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) schätzt die Situation schwieriger ein als bei der Jahrhundertflut 2002. "Mit jeder Stunde, die es länger dauert, wird es schwieriger werden", sagte er. "Es ist eben nicht nur die Elbe, die kommt. Dieses Mal kommen alle Nebenflüsse mit großer Wucht mit dazu", sagte Woidke.
Mecklenburg-Vorpommern erwartet nie dagewesenes Hochwasser
Umweltminister Till Backhaus (SPD) erwartet in Mecklenburg-Vorpommern ein nie dagewesenes Hochwasser an der Elbe. In Dömitz erreichte der Fluss schon eine Höhe von 4,42 Meter, normal sind gut zwei Meter. Ausgelegt sind die Deiche für ein Hochwasser von 7,50 Meter. Das Problem sei, dass zu den Fluten der Elbe auch das Hochwasser der Saale komme. Hunderte Bundeswehr-Soldaten unterstützten die Schutzmaßnahmen.
Das Bundesland Thüringen hat das Schlimmste überstanden. Die Lage an den Flüssen entspannte sich weiter. Nur noch an drei Messstellen der Saale - in Kaulsdorf, Rothenstein und Camburg-Stöben - galt die höchste Alarmstufe 3. Mit dem Rückgang des Wassers werden aber auch die Zerstörungen immer mehr sichtbar.
Politiker in Gummistiefeln
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Ungarn bereitet sich auf Rekord-Hochwasser der Donau vor. Die Scheitelwelle werde Budapest am Wochenende erreichen, teilten die Behörden mit. Ministerpräsident Viktor Orban sagte, im schlimmsten Fall müssten 80.000 Menschen in Sicherheit gebracht werden. In Polen gab es in der Nacht zu Donnerstag bisher die schwersten Überschwemmungen. In Tschechien war für die geplagte tschechische Industriestadt Usti (Aussig) an der Elbe das Schlimmste wohl vorbei. Das Wasser stieg am Donnerstag nicht über die bedrohliche 11-Meter-Marke. Auch in Prag entspannte sich die Lage an der Moldau.
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