Cleveland. Als sie vor rund zehn Jahren zuletzt gesehen wurden, waren sie teils noch Teenagerinnen - nun sind drei junge Frauen in den USA nach jahrelanger Gefangenschaft aus einem Haus in Cleveland befreit worden. Eine von ihnen, die 27-jährige Amanda Berry, hat mittlerweile eine kleine Tochter, die sie womöglich in Gefangenschaft zur Welt brachte.

Charles Ramsey, der Nachbar, dem die drei jahrelang in einem Haus in Cleveland gefangen gehaltenen Frauen ihre Befreiung zu verdanken haben, ist über Nacht zum neuen Helden der USA geworden. Videos davon, wie der Tellerwäscher von seiner Heldentat berichtet, wurden auf YouTube seit Montag hunderttausende Mal angeklickt und über Twitter und Yahoo weiterverbreitet.

Auch Aufnahmen des in seiner Wortwahl nicht ganz jugendfreien Anrufs von Ramsey bei der Notrufzentrale verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. "Bruder, ich wusste, dass etwas nicht stimmt, als sich dieses hübsche kleine weiße Mädchen in die Arme eines schwarzen Mannes warf", erzählte der Afroamerikaner Ramsey dem Fernsehsender WEWS über den Moment, als er eines der Entführungsopfer von Cleveland, die 27-jährige Amanda Berry, befreite. Der Spruch wurde von Internet-Nutzern umgehend für einen Rap-Song gesampelt.

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In dem Fernsehinterview berichtete der Tellerwäscher mit den langen Haaren und schiefen Zähnen ausführlich davon, wie er auf Berry aufmerksam wurde. Er habe gerade "meinen McDonald's" (seinen Hamburger) gegessenen, als er sie schreien hörte. Die US-Fastfoodkette reagierte enthusiastisch auf die Gratis-Werbung: "Weiter so, Charles Ramsey - wir melden uns", twitterte McDonald's.

Das schicke Restaurant Hodge's in dem Ramsey als Tellerwäscher arbeitet, zeigte sich auf seiner Facebook-Seite stolz auf seinen "Teller-Techniker". "Er ist ein echter Clevelander Held", hieß es. Restaurantkunden plädierten unterdessen dafür, Ramsey mindestens eine Gehaltserhöhung zu spendieren.

Zehn Jahre in Gefangenschaft

Die US-Stadt Cleveland feiert das befreite Entführungsopfer Amanda Berry als Heldin. Nach zehn Jahren Gefangenschaft war es Berry jetzt gelungen zu entkommen. Die Polizei befreite noch zwei weitere Frauen. Amanda hier ist die echte Heldin", sagte der stellvertretende Polizeichef Ed Tomba am Dienstagabend (Ortszeit). "Sie hat die Sache ins Laufen gebracht (...) Ohne sie wären wir jetzt nicht hier." Nach Berrys Flucht wurden auch Gina DeJesus und Michelle Knight aus dem Haus des mutmaßlichen Entführers geholt. Beide waren ebenfalls seit Jahren vermisst worden. Der Hauptverdächtige und zwei Brüder von ihm wurden festgenommen.

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Laut Clevelands Direktor für öffentliche Sicherheit, Martin Flask, erhielten die Behörden niemals Hinweise, dass in dem Haus etwas Ungewöhnliches vor sich gehen könnte. "Ich hatte keine Ahnung, dass da noch jemand in dem Haus war", sagt auch Ramsey, der etwa seit einem Jahr nebenan wohnt. "Ich habe mit dem Kerl gegrillt." Nur einmal war Castro ins Visier der Polizei geraten: Als er 2004 ein Kind in seinem Schulbus sitzen ließ, als er ihn im Depot abstellte. Doch die Ermittler glaubten ihm, dass es ein Versehen war.

Kritik an Polizei

Trotzdem müssen sich die Ermittler Kritik gefallen lassen. Nachbarn hatten Medienberichten zufolge die Polizei mehrmals auf eigenartige Vorgänge und angeblich sogar auf "Frauen in Ketten" in dem Haus aufmerksam gemacht. Die Polizei verteidigte sich auf ihrer Internetseite: Man habe nur zwei Hinweise erhalten und sei diesen auch nachgegangen. Beide hätten nichts mit den vermissten jungen Frauen zu tun gehabt. Berry verschwand als 16-Jährige.

Amanda Berry kam frei, nachdem ein Nachbar am Montag Hilferufe aus dem Haus gehört hatte. Mit seiner Hilfe rief sie den Berichten zufolge die Polizei. Auch wie die Ermittler mit diesem Notruf umgingen, sorgte für Aufregung. Das Opfer sei zunächst nicht ernst genommen worden, werfen Kritiker der Polizei vor. Auf ihrer Facebook-Seite versprach die Polizei eine Untersuchung.

Die Ermittler wurden schon früher mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert: 2009 waren in einem Haus in einem anderen Stadtviertel Clevelands die Leichen von elf Frauen gefunden worden. Sie waren Opfer eines Massenmörders gewesen. Auch damals hatten einige Familien der Polizei Untätigkeit vorgeworfen.

Berichte über mögliche weitere Schwangerschaften der Entführungsopfer beschäftigen die Polizei ebenfalls: Der Lokalsender ABC Channel 5 News berichtete unter Berufung auf Polizeiquellen, eine der Frauen habe zwei oder drei Fehlgeburten erlitten. Eine andere Quelle sprach von bis zu fünf Schwangerschaften der Opfer, so der Sender.(afp/dpa)

Entführungsopfer Dugard fordert Rücksicht auf Opfer in Cleveland 

Das einstige Entführungsopfer Jaycee Dugard, die in den USA 18 Jahre lang von ihrem Kidnapper gefangen gehalten wurde, hat Rücksichtnahme auf die jetzt in Cleveland nach jahrelanger Gefangenschaft befreiten Frauen gefordert. Den drei Opfern müsse Zeit und Raum gegeben werden, allmählich in die Realität und in ein normales Leben zurückzufinden, sagte Dugard dem Magazin "People" am Dienstag (Ortszeit).

Dugard war im August 2009 im Garten eines Hauses in der Gegend von San Francisco gefunden worden, nachdem sie 18 Jahre lang gefangen gehalten und vergewaltigt worden war. Sie war als Elfjährige auf dem Schulweg gekidnappt worden.

Auch ein weiteres prominentes Entführungsopfer, die im Jahr 2002 im Alter von 14 Jahren für neun Monate festgehaltene Elizabeth Smart, forderte Rücksicht auf die drei in Cleveland geretteten Frauen. "Sie sollen wissen, dass sie sich nicht unter Druck fühlen sollten, irgendetwas zu sagen", sagte Smart dem Sender CNN. "Sie sollten sich so viel Zeit nehmen wie sie brauchen - und wenn sie entscheiden, dass sie ihre Geschichte nie erzählen wollen, ist das auch in Ordnung."

Drei jahrelang vermisste Frauen waren am Montag in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio aus einem Haus befreit worden. Drei verdächtige Brüder wurden festgenommen. Zwei der Frauen waren noch Teenagerinnen, als sie zum letzten Mal vor rund zehn Jahren gesehen wurden. Eine von ihnen, die heute 27-jährige Amanda Berry, brachte offenbar während der Gefangenschaft eine Tochter zur Welt. (afp)