Amsterdam. . Königin Beatrix unterschreibt ihre Abdankungsurkunde, König Willem-Alexander schwört auf die Verfassung, und das Volk feiert – mit viel Gefühl und in oranje. Ganz Amsterdam hat sich verfärbt, Gebäude wurden in die Landesfarbe(n) gehüllt. Nun ist das zum Königinnentag immer so, nur diesmal anders: Heute ein König!
Das ganze Land trägt an diesem Tag Krone. Goldene Kronen, orangefarbene und rot-weiß-blaue, Kronen aus Plastik, aus Pappe und zum Aufblasen – nur der König nicht. Denn Willem-Alexander der Niederlande wird gar nicht gekrönt an diesem letzten Koninginnedag nach 123 Jahren weiblicher Herrschaft; Seine Majestät tauscht mit seinem Volk ein Vertrauens-Versprechen aus. Und das trägt die Krone zu seinen Ehren, vor allem aber aus purer Freude: Es ist „feest“ in Amsterdam!
Am frühen Morgen schon schälen sich sich die ersten Untertanen aus ihren orangefarbenen Schlafsäcken, sie haben übernachtet unter dem Balkon des königlichen Palais, auf dem sich die Königsfamilie später zeigen wird. Sie wollen den König sehen, sie wollen der scheidenden Königin danken, viele, Männer vor allem, freuen sich auf Máxima. Und sie tragen nicht nur Kronen: Perücken und Tücher, Hermelinmäntel und Sonnenbrillen – alles in Orange. Die ganze Stadt hat sich verfärbt, Gebäude haben sie in die Landesfarbe(n) gehüllt, Boote, Bahnen. Und selbst dem größten Kaufhaus am Platz haben sie eine Krone aufgesetzt. Nun ist das zum Königinnentag immer so, nur diesmal anders: Heute ein König!
Doch dafür muss die Königin erst abdanken. Würdevoll betritt sie den Mosessaal, ihr Volk sieht zu an den Fernseh- und Großbildschirmen, „oh, in Lila“! Es sind solche kleinen Dinge, die an diesem Tag auffallen, Beatrix’ Lippen, die ein deutliches „schön“ formen, als ihr die Abdankungsurkunde mit den Unterschriften aller Zeugen noch einmal vorgelegt wird. Hach, seufzt das Volk draußen, es wird ihr doch ein winziges bisschen schwer fallen, dass sie nach 33 Jahren „nur“ noch Prinzessin ist?
Es wird getanzt an und auf den Grachten
Zweimal an diesem Tag werden die Niederländer sie mit feuchten Augen sehen. Das erste Mal, als Beatrix auf den Balkon tritt, und die Menge ungeprobt zu singen beginnt: „Bea, Bea, Bea bedankt.“ Die Wieder-Prinzessin aber, deren „Job“ es all die Jahre war, „ihre Gefühle zurückzuhalten“, wie eine Beobachterin sagt, behält ihre Würde: „Ich darf Ihnen Ihren neuen König vorstellen.“ Unten kann Roxy, gerade 22, es gar nicht fassen: „Für mich gab es immer nur Bea. Und jetzt haben wir auf einmal einen König. Komisch.“ Sie werden jetzt auch Straßennamen ändern müssen in den Niederlanden und die von Schulen, „Prins Willem-Alexander“ hat ausgedient.
Der ist jetzt König. „Wilhelmus von Nassau bin ich von deutschem Blut“, singen die Menschen das erste Mal mit ihm, sie haben oft etwas Mühe gehabt mit dieser Nationalhymne, die nun plötzlich stimmt: Es gibt wieder einen Willem, und einen deutschen Vater hat er auch. Während sich die Palasttüren hinter ihm schließen, läuft die Stadt voll und immer voller. Es wird getanzt an und auf den Grachten, das Orange beleuchtet die Straßen noch besser als die Sonne, die kurzfristig abgesagt hat. Dafür kommen die ungekrönten Häupter dieser Welt mit ihrem Glanz am Nachmittag in die Nieuwekerk; es ist ein Fest der Thronfolger, von denen Charles von England wohl der älteste ist. Draußen versammeln sich Zehntausende, um mit anzusehen, was sie hier „Inhuldiging“ nennen: den Eid des Königs auf die demokratische Verfassung, in einer politischen Versammlung.
Dank an die Mutter
In der Kirche sitzt Beatrix ganz vorn, eingerahmt von den drei Prinzessinnen Amalia, Alexia und Ariane, allesamt in Königsblau. Das trägt auch die neue Königin Máxima, dazu das Diamantendiadem von Königin Emma mit blauen Saphiren. Offensichtlich ist, wie die Familie sich aneinander festhält: Nicht nur die Blicke von Oma und Enkeln, Eltern und Kindern finden einander immer wieder, beim Einmarsch halten Willem-Alexanders und Máximas Hände sich so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Sehr ernst schaut der König, nicht ein Hauch ist zu sehen von seinem sonst so pausbäckigen Grinsen. Dafür lacht sein Volk: überall frohe Gesichter. Es gefällt den Leuten, dieses Fest, es gefällt ihnen der neue König. Von Vertrauen redet der, vom Fördern unterschiedlicher Talente. Mehrfach dankt der Sohn der Mutter. „Ihre Weisheit und Ihre Wärme trage ich in mir.“ Es ist der Moment, in dem Applaus aufbrandet – und der zweite Augenblick an diesem Tag, an dem Beatrix’ Augen feucht werden.
Der Eid des Königs wird von jedem einzelnen Abgeordneten erwidert. Das dauert so lange, dass man vorn die Kronprinzessin beim Chorgesang herzhaft gähnen sieht.
Königin Beatrix dankt ab
Auch das ein Bild, das bleiben wird von diesem Tag. Und das von einem Baby in Ede: Dort wird eine Stunde nach der Abdankung Beatrix’ ein „Königskind“ geboren. Die Eltern nennen den Jungen Alexander: „Lang leve de koning!“
