Stockholm. . Eine US-amerikanische Studie untersucht die Auswirkungen der Erderwärmung auf Transportrouten. Das Ergebnis: Kalifornische Wissenschaftler sehen drei neue Schiffsrouten - am Nordpol. Große Reedereien haben dort bereits mit ersten Testfahrten begonnen.
Die Erderwärmung hat bald direkten Einfluss auf die internationalen Transportrouten. Zwischen 2040 und 2059 soll laut einer Klimastudie der Universität Kalifornien die Eisschmelze am Nordpol soweit fortgeschritten sein, dass der internationale Schiffsgüterverkehr in der Arktis auf drei Routen möglich sein wird. Eine davon wird über den Nordpol führen.
Im Sommer soll es dann möglich sein, von Nordeuropa quer durch die Arktis über den Nordpol nach Kamtschatka und weiter nach China und Ostasien zu segeln, sagen Klimaforscher aus Kalifornien in einer der ersten grundlegenden Studien dieser Art voraus. Die in der Fachzeitschrift „Pnas Plus“ veröffentlichte Untersuchung geht in ihrer Prognose von zwei unabhängigen Klima-Vorhersagen für 2040 bis 2059 aus. In der einen rechnen die Forscher mit einem Anstieg des globalen Kohlendioxid-Ausstoßes um 25 Prozent – und damit einem gemäßigten Temperatur-Anstieg.
Im anderen Szenario gehen sie von einem Kohlendioxid-Ausstoß von plus 35 Prozent aus – also einer deutlich höheren Durchschnittstemperatur. Die Forscher waren allerdings selbst überrascht, dass der Einfluss des Temperatur-Anstiegs auf die Eisschmelze in der Arktis in beiden Szenarien ähnlich ist.
Nordwestpassage bislang jedes siebte Jahr passierbar
„In der Mitte dieses Jahrhunderts passieren wir anscheinend einen entscheidenden Bruchpunkt. Dies unabhängig von der genauen Erderwärmung“, sagte Studienleiter Laurence Smith der schwedischen Zeitung „Svenska Dagbladet“. Dann werde das Nordpol-Eis laut beiden Szenarien so dünn sein, dass sich auch gewöhnliche Frachtschiffe durch bislang für sie unpassierbare Teile des arktischen Meers bewegen könnten. Und zwar ohne die Hilfe von Eisbrechern.
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Schon heute beobachten internationale Reedereien die beiden zunehmend eisfreien Routen am Rand der Arktis. Die über Nordkanada verlaufende Nordwestpassage war im vergangenen Sommer zumindest theoretisch fünf Wochen befahrbar. Noch nie seit Beginn der Messungen 1979 war die Sommereisdecke der Arktis so geschrumpft. Am 16. September 2012 hatte sie noch eine Fläche von 3,41 Millionen Quadratkilometern.
Die Nordwestpassage wird wirschaftlich noch nicht genutzt. Bislang galt sie nur jedes siebte Jahr als befahrbar. Ab 2050 könnte sie laut der Prognose jedes zweite Jahr befahrbar sein. Später könnte sie Transporte durch den Panamakanal in Mittelamerika ersetzen.
Nordostpassage könnte Route über Suezkanal ablösen
Die von Europa über Nordrussland nach China führende Nordostpassage wird dahingegen schon heute kommerziell immer wichtiger.
Im Sommer 2012, als die arktische Eisdecke so dünn war wie noch nie zuvor in moderner Zeit, passierten von Anfang Juli bis Ende Oktober immerhin 64 Handelsschiffe die Passage. Noch dienen viele dieser Fahrten Testzwecken. Die Reedereien wollen so erste Erfahrungen mit diesem künftigen Seeweg machen. Die Nordostpassage könnte die Route über den Suezkanal zumindest teilweise ablösen und den Seeweg von Nordeuropa nach Asien erheblich abkürzen.
Ökonomisch interessant
Bislang sind auf der Nordostpassage nur Schiffe der höchsten Eisklasse und in Begleitung russischer Eisbrecher und russischer Lotsen zugelassen. Doch laut der US-Studie dürfte die Befahrbarkeit in den kommenden Jahrzehnten deutlich zunehmen. Eisbrecher wären dann nicht mehr nötig. Schiffstransporte, die die Nordostpassage als Alternative zum Transport über den Suezkanal anpeilen, können die Fahrzeit dann von 40 auf 20 Tage halbieren.
Die Pole unserer Erde - Faszination ewiges Eis
Schon in 30 bis 50 Jahren allerdings könnte die russisch dominierte Nordostpassage Konkurrenz durch den direkten Seeweg über den Nordpol erhalten. Dieser wäre noch mal 20 Prozent kürzer als die Nordostpassage. „Das ist spannend aus ökonomischer Sicht, aber gleichzeitig auch besorgniserregend“, sagt Smith. „Zum einen für die Sicherheit des empfindlichen Ökosystems der Arktis, aber auch für die Sicherheit der Schiffe selbst.“