Essen. ZDF-Chefredakteur plädiert für originellere Gäste. Auch auf Kosten der Quote. Die Kritik dürfte ihm leichter fallen als den Verantwortlichen der ARD: Das Zweite verantwortet mit „Maybrit Illner“ und Markus Lanz’ harmlose Plauderrunden, das Erste lädt jeden Abend zum Gespräch.

Talkshowgast ist zwar noch kein anerkannter Ausbildungsberuf, aber dass Arnulf Baring, Heiner Geißler oder Hans-Olaf Henkel ihre Abende gerne in bequemen Sesseln bei Maybrit Illner, Anne Will oder Sandra Maischberger verbringen, wissen Fernsehzuschauer. ZDF-Chefredakteur Peter Frey plädiert jetzt für mehr Risikofreude und originellere Gäste in deutschen Talkshows. Man sollte schwächere Einschaltquoten akzeptieren, wenn das Thema oder unbekannte Teilnehmer Sendezeit verdienten, schrieb Frey in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

Die Kritik dürfte ihm leichter fallen als den Verantwortlichen der ARD: Das Zweite verantwortet nur „Maybrit Illner“ und Markus Lanz’ harmlose Plauderrunden, das Erste lädt jeden Abend zum Gespräch – mit Will und Maischberger, mit Günther Jauch, Frank Plasberg und Reinhold Beckmann. Oft genug mit den gleichen Themen. Und oft mit Gästen, die in der Woche drauf ihre sattsam bekannten Weisheiten schon wieder woanders zum Besten geben. Die Positionen, schreibt Frey zu diesem Phänomen, seien „so perfekt einstudiert, dass überraschende, lebendige Aussagen kaum zu bekommen sind“. Politiker wüssten, dass jedes von ihnen ausgesprochene Wort im Internet einen Sturm der Entrüstung erzeugen könnte.

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Am wichtigsten sei daher die Vielfalt der Gäste. „Talkshows dürfen nicht zu Sitcoms werden, in denen immer die gleichen Leute oder bestimmte Typen auftauchen. Statt der immer gleichen grauhaarigen Polit-Pensionäre sollten da junge Frauen oder erfolgreiche Migranten sitzen, die sich und ihre Sicht aufs Leben einbringen.“ Die deutsche Wirklichkeit sei „sehr viel bunter“ als die meisten Talkrunden. Es sei auch falsch, Redaktionen „mit starren Quotenvorgaben oder Erfolgsprämien zu zwingen, keine Experimente zu wagen“.

Aufsehenerregende Enthüllung beim WDR

Frey spielt damit wohl auf eine aufsehenerregende Enthüllung beim Westdeutschen Rundfunk an. Dort musste Unterhaltungschef Siegmund Grewenig in einer Redakteursversammlung Mitte März einräumen, dass der WDR Sandra Maischberger für ihre Talkshow „Menschen bei Maischberger“ jahrelang ein quotenabhängiges Honorar gezahlt habe. Das sei geändert worden.

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Die Vermutung, dass so etwas Einfluss auf die Auswahl der Gäste hat, liegt nahe. Der zuständige WDR-Redakteur, der einst Katharina Witt beim Thema „Diätwahn“ ausladen wollte, weil er fürchtete, dass ihr Werbevertrag mit „Weight Watchers“ ein schlechtes Licht auf die Sendung werfen könnte, scheiterte. Grewenig und die Produktionsfirma setzten sich mit Witt durch.