Suhl. . Fünf Stunden nach einer Geiselnahme in der thüringischen JVA Suhl-Goldlauter hat die Verhandlungsgruppe der Polizei Kontakt zum Täter aufgenommen. Die Geisel, eine 26-jährige JVA-Angestellte, sei noch in der Gewalt des 52-jährigen Häftlings, hieß es am Abend.
Nervenprobe in der thüringischen Justizvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter: Ein 52-jähriger Insasse hat am Karfreitag mit einem Messer eine Angestellte in seine Gewalt gebracht. Das Geiseldrama zog sich über Stunden hin. Am Abend war noch kein Ende absehbar. Der Häftling habe die Frau im Zellentrakt gegen 16 Uhr überfallen, sagte der Pressesprecher der Landespolizeiinspektion Suhl, Fred Jäger, der Nachrichtenagentur dpa. Eine Verhandlungsgruppe und das Sondereinsatzkommando waren vor Ort. "Der Geiselnehmer fordert einen Rechtsbeistand und die Verlegung in eine andere Anstalt", sagte Jäger. Der Mann sitzt wegen Gewaltdelikten in dem Gefängnis ein.
Nähere Details darüber, wo sich der Geiselnehmer verschanzt habe, gab es bislang nicht. Unbekannt war auch, ob die Frau zum Wachpersonal gehört. Die Verhandlungsgruppe der Polizei war noch dabei, die genauen Umstände zu klären. "Gefährdungen für die Geisel müssen ausgeschlossen werden", betonte der Sprecher. Ein Ende der Geiselnahme war nicht absehbar. "Das kann ganz schnell gehen oder eine ganze Weile dauern", meinte Jäger.
JVA in Suhl hat 332 Haftplätze und 167 Bedienstete
Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) hofft auf einen unblutigen Ausgang der Geiselnahme. "Wir sind guten Mutes, die Situation friedlich beenden zu können", sagte der Politiker, der nach Suhl geeilt war, am Freitagabend. Sein Mitgefühl und seine Solidarität gelte der Familie der Geisel sowie den Bediensteten der JVA und den Polizisten. Der Präsident der Landespolizeidirektion, Winfried Bischler, sagte: "Ein Ende ist derzeit nicht absehbar. Aber die Lage ist stabil."
Vor dem Gefängnis waren Polizeiwagen und eine Spezialeinheit eingetroffen. Auch mehrere Krankenwagen fuhren vor. Etliche Justizbeamte eilten in das Gefängnisgebäude. Die Justizvollzugsanstalt Goldlauter in Suhl ist ein Gefängnis für Männer und verfügt über insgesamt 332 Haftplätze. 310 davon sind laut Website der JVA für den geschlossenen Vollzug vorgesehen, 22 für den offenen Vollzug. Derzeit sind dort insgesamt 167 Bedienstete tätig.
Bereits Ende 1993 hatten Strafgefangene der Justizvollzugsanstalt Suhl-Goldlauter gegen die nach ihrer Ansicht schlechte Verpflegung in dem Gefängnis protestiert. Die Häftlinge hatten sich damals geweigert, in ihre Zellen zurückzukehren.
Derzeit gibt es in Thüringen sieben Justizvollzugseinrichtungen mit insgesamt rund 2000 Haftplätzen. Lediglich 984 davon sind für die gesetzlich vorgeschriebene Einzelunterbringung in den Ruhezeiten am Abend und nachts geeignet. Wegen der hohen Belegung mussten in den vergangenen Jahren in allen Anstalten die Hafträume mehrfach belegt werden. In manchen Gefängnissen sind nach Angaben des Justizministeriums sechs Häftlinge in einem Raum untergebracht.
Chronik - Geiselnahmen im Strafvollzug
Sie bringen Personal oder Mitgefangene in ihre Gewalt und sorgen für stundenlanges Bangen. Die Motive von Geiselnehmern im Gefängnis sind unterschiedlich - ein Überblick über einige Fälle in den vergangenen Jahren:
- Dezember 2012: Ein Sexualstraftäter versucht bei einem Gottesdienst in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lübeck, eine Beamtin als Geisel zu nehmen. Der Sicherungsverwahrte will die Frau überwältigen, als sie ihm für einen Toilettengang die Türen aufschließt. Die Frau beißt den Häftling in die Hand. So gelingt es ihr, sich zu befreien und einen Notruf abzusetzen. Daraufhin überwältigen Mitgefangene und Angestellte den Straftäter. Die Beamtin wurde bei dem Vorfall nicht verletzt, kam aber vorsorglich in ein Krankenhaus.
- November 2010: In der JVA Görlitz bringt ein 33 Jahre alter Straftäter einen Mithäftling in seine Gewalt. Er bedroht ihn mit einem spitzen Gegenstand. Das Ziel des Geiselnehmers: Er will die Abschiebung in sein Heimatland verhindern. Nach sieben Stunden beendet ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Geiselnahme unblutig.
- April 2009: Im Hochsicherheitsgefängnis im bayerischen Straubing nimmt ein Schwerverbrecher die Cheftherapeutin der Haftanstalt als Geisel. Er hält sie sieben Stunden lang in ihrem Büro gefangen und vergewaltigt sie zweimal. Der wegen mehrerer Vergewaltigungen und eines Sexualmordes vorbestrafte Mann wird ein Jahr später zu 14 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt.
- November 2006: Ein 36 Jahre alter vorbestrafter Sexualtäter entwischt bei einem Hofgang in der Dresdner Justizvollzugsanstalt seinen beiden Bewachern - und klettert an der Außenfassade eines Zellengebäudes in die Höhe. Stundenlang verhandeln Psychologen und Polizisten mit ihm. Erst 20 Stunden später gibt der Mann auf.
- April 2005: In der JVA Naumburg bringen zwei 37 und 44 Jahre alte Schwerverbrecher drei Justizbeamte im Zellentrakt des Gefängnisses in ihre Gewalt. Einer der Beamten kann sich kurz danach selbst befreien. Die beiden Geiselnehmer wollen erzwingen, dass sie auf freien Fuß kommen. Nach fast neun Stunden wird das Geiseldrama beendet - ein Geiselnehmer wird verletzt.
- Januar 2005: Ein wegen Mordes und Geiselnahme einsitzender Häftling bringt in der JVA Dresden mit einem Besteckmesser einen katholischen Diakon in seine Gewalt - in seiner Zelle. Die Forderung des 38-Jährigen: Er will mit einem bestimmten Gefangenen sprechen. Nach fünf Stunden geht die Geiselnahme unblutig zu Ende. Der Täter lässt den Gefängnisseelsorger unverletzt frei. (dpa/dapd)