Frankfurt. Dem deutschen Film kann Jürgen Prochnow nicht mehr viel abgewinnen, deutschen Komödien schon gar nicht. In den 80er Jahren ist der Schauspieler, den der Film „Das Boot“ groß machte, nach Amerika gegangen, wo er eine Bilderbuch-Karriere startete. Ein Gespräch über Waffen, Religion und Kapitalismus.

Das Alter ist mild zu Jürgen Prochnow. Die grabentiefen Furchen haben sich schon vor Jahrzehnten in das kantige Gesicht gearbeitet, nur das volle Haar ist mittlerweile fast weiß. Drahtig ist er, die Körperspannung unter dem schwarzen Cordsakko ist da, der Händedruck ist fest, das Lächeln zur Begrüßung einladend und nicht geschäftsmäßig. Der Mann hat noch was vor im Leben. Die sanfte Stimme will zu einem so taffen Typen gar nicht passen.

71 ist er nun, und dennoch, wenn man in der Bar eines Frankfurter Luxushotels auf ihn zugeht, dann sitzt da bei Cappuccino und Sprudelwasser auch immer noch der Herr Kaleu. Den wird er nie mehr los, den Kommandanten, der vor 32 Jahren das berühmteste U-Boot der Filmgeschichte durch den Krieg manövrierte und Prochnow mit seinem schauspielerischen Minimalismus zum Star machte. „Das Boot“ ist der Grund, warum man den Berliner, der in Düsseldorf aufwuchs und Theater spielte und die Essener Folkwangschule besuchte, nur selten in Deutschland sieht.

Die Kontakte nach Deutschland sind abgerissen

Prochnow, der es neben Armin Mueller-Stahl als einer der ganz wenigen Deutschen geschafft hat, sich in Hollywood zu behaupten, lebt mit seiner Frau in Los Angeles und beklagt sich nicht, dass der deutsche Film ihn praktisch vergessen hat. „Die Kontakte sind abgerissen; es gibt eine neue Generation von Filmemachern, die Lust hat, mit anderen zu arbeiten, und das ist ja legitim.“ Schon unmittelbar nach dem Welterfolg von „Das Boot“ habe er in Deutschland keine Angebote mehr bekommen. Wie kann das sein? „Ich weiß nicht, die haben alle gedacht, der ist weg für uns, er ist nicht mehr bezahlbar“, sagt Prochnow und nippt an seinem Wasserglas.

Die Amerikaner aber schnappten ihn, sie liebten „Das Buut“. Zwar besetzen sie ihn in Filmen und Serien unterschiedlicher Qualitätsstufen am liebsten als Schurken. Aber von den Arbeitsbedingungen in seiner Wahlheimat ist er so verwöhnt, dass der deutsche Film ihn auch nicht so sehr reizt. Prochnow: „Als Mitglied der deutschen Filmakademie bekomme ich die Filme rübergeschickt und sehe alles. Da sind manchmal schöne kleine Filme dabei, aber die meisten haben allenfalls eine gute Geschichte und keine aufregende Filmsprache. Sie funktionieren im Fernsehen, nicht aber im internationalen Kino.“

Von deutschen Komödien hält Prochnow nicht viel

Selbst mit der löblichen Filmförderung seien die Budgets meist zu klein. Und von den deutschen Komödien hält er mit Blick auf Giganten wie Wilder und Lubitsch nicht viel: „Das sind für mich keine Komödien, sondern in der Regel verlängerte Fernsehsketche. Bei ,Raumschiff Enterprise’ alles auf schwul zu drehen, das ist mir zu wenig“, ätzt Prochnow.

Gleichwohl schätzt er auch in Amerika nicht alles, obwohl er seit 2003 neben dem deutschen einen US-Pass besitzt. „Die Menschen sind wunderbar, haben mich toll aufgenommen“, erzählt er, „aber im System dieses gnadenlosen Kapitalismus empört mich vieles.“ Der Kampf um eine Krankenversicherung für alle Amerikaner mache einen Deutschen fassungslos. Und auf die Frage, ob er Waffen im Haus habe, drückt er sein Kreuz in den Ledersessel, greift sich mit den Händen an den Kopf und gewinnt erstmals an Lautstärke: „Um Gottes Willen, ich würde nie eine haben wollen, und die Diskussion darum ist Schwachsinn.“

Religiöser Fanatismus widert ihn an

Bleibt der religiöse Fanatismus, der ihn „am meisten anwidert“ und der ihn noch einmal in eine deutsche Fernsehproduktion gelockt hat, für die er derzeit wirbt. In „Die Kinder meiner Töchter“ (im Mai zu sehen) spielt er einen knurrig konservativen Richter a.D., der sich um die muslimisch erzogenen Kinder seiner tödlich verunglückten Tochter kümmern muss. „Der Streit um die Religionen löst Katastrophen aus“, findet Prochnow.

Die Trennung von Staat und Kirche sei nicht einmal hier vollständig vollzogen. Er habe seine Kinder nicht christlich taufen lassen. „Ich habe ihnen gesagt, wenn ihr alt genug seid, könnt ihr euch entscheiden, ob ihr einer Glaubensgemeinschaft angehören wollt, vorher passiert nichts!“ Ay ay, Herr Kaleu.