Hamburg. .
Jan Fedder ist der heimliche Boss im „Großstadtrevier“ - und sieht sich nicht als Konkurrenztyp. „Ehrgeiz kenne ich nicht“, erklärte der 55-jährige Volksschauspieler im Gespräch. „Ich mache nur das, was mir Spaß macht.“
Die Film-Wache durchweht ein Hauch von früher, der tabakgeschwängerte Duft der großen, weiten Welt. Das Epizentrum des blauen Dunstes ist das Chefzimmer. In der Mitte des Raums, seitlich zur Tür, steht ein Schreibtisch. Jan Fedder, in schwarzem Strickpolo und dunkler Jeans, weist mit einladender Geste auf einen Holzstuhl auf der anderen Tischseite: “Du sitzt da.” Ob er sicher sei, dass er ein Gespräch mit Verhörcharakter wolle? Fedder zieht an seiner Zigarette, lässt eine Rauchschwade aufsteigen und wiederholt: “Du sitzt da.”
“Ich mache nur das, was mir Spaß macht”
Auf der anderen Tischseite sitzt Jan Fedder, der Tag war lang, die Nacht eher kurz, Zehn-Stunden-Drehs sind Standard. Sein graumeliertes Haar wirkt zerzaust, silbrig schimmert ein Drei-Tage-Bart, sein gerötetes Gesicht verrät, er lebt gern, seine blitzenden brauen Augen verraten, er arbeitet gern. “Ehrgeiz”, sagt er und wirkt dabei verständnislos, “Ehrgeiz kenne ich nicht.” Wieder bläst er eine Tabakwolke in den Raum. “Ich mache nur das, was mir Spaß macht.” Von Kindesbeinen an. “Ob ich Schauspieler werden will? Das wusste ich schon mit zehn.” Als Meister der Anekdote, treffsichere Pointe inbegriffen, schiebt der 55-Jährige nach: “Das haben die schon beim Arbeitsamt begriffen. Als ich mit 18 da war, schrieben die: Jan kann eigentlich nur Schauspieler werden. Wir aber empfehlen eine kaufmännische Lehre.”
Damals waren Rebellion und Revolte angesagt, zumindest gegen die braven Frisuren jener Jahre, und Fedders Held war Franco Nero, der als “Django” mit seinem Maschinengewehr im wildesten Westen aller Zeiten aufräumte.
Jetzt, Jahrzehnte später, erfüllt sich der bekennende Volksschauspieler seinen Jugendtraum und spielt den Sheriff selbst. Möglich macht es ein Serienjubiläum: die 300. Folge. Der Mann mit dem Stern kämpft nicht mit den glorreichen Sieben, sondern gegen die schmutzigen Drei: Martin May, Claude-Oliver Rudolph und, natürlich, Martin Semmelrogge. Drei alte Jungs, glaubhaft als Schurken, drei alte Jungs, die der bekennende Hamburger von seinem fulminanten Karriere-Start kennt: Als “Das Boot” absoff, ging sein Stern auf.
“Ich hab’ oft die Peitsche gekriegt”
Die 15-monatigen Dreharbeiten zu dem Kino-Klassiker wird der leidenschaftliche Antiquitäten-Sammler nie vergessen. “Ich habe ein super Gedächtnis. Ich kann Einzelheiten abrufen, an die sich sonst keiner mehr erinnert.” Zum Beispiel daran, dass der überwiegende Teil der Crew nicht bei der Bundeswehr war. Zum Beispiel daran, dass bereits nach wenigen Drehtagen eine Klassengesellschaft entstand wie im “Boot”, säuberlich aufgeteilt nach Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaft. Zum Beispiel daran, dass Regisseur Wolfgang Petersen mit “Zuckerbrot und Peitsche” arbeitete. Fedder: “Ich hab’ oft die Peitsche gekriegt.”
Kürzlich, zum 30-jährigen Filmjubiläum, gab’s eine Art Klassentreffen. “Hm”, brummelt Fedder, “es waren nicht alle da. Herbert Grönemeyer bastelt an einer neuen CD, Jürgen Prochnow wollte nur erste Klasse fliegen, das Ticket hätte 13 000 Euro gekostet, und Heinz Hoenig hat erzählt, er dreht irgendwo irgendwas.” Fedder lässt genüsslich Dampf ab, hält kurz inne und fügt hinzu: “Sieben waren da, immerhin.” Die Truppe genoss das Wiedersehen, einerseits. “Andererseits hatte das Treffen etwas Zwiespältiges”, bekennt Fedder. “Wir sind auf dem Bavaria-Gelände noch mal ins Boot geklettert und haben festgestellt, wie eng das für uns geworden ist.”
Eingeengt fühlt sich der Hobby-Sänger zwar nicht durch seinen Dauer-Job beim “Großstadtrevier”. Dennoch weitete er gern sein Rollen-Spektrum aus, in dem er sich von Filmproduzent Markus Trebitsch für Verfilmungen von Siegfried-Lenz-Romanen ködern lässt. Der Buchautor sah’s mit Vergnügen - obwohl oder vielleicht gerade weil sich Fedder nach eigenem Bekunden nicht auf seine Rollen vorbereitet. “Ich verlass’ mich ganz auf meinen Bauch”, sagt er im raspelnden Brustton der Überzeugung. Ob ihm das schon mal Bauchschmerzen bereitet habe? Fedder grinst. “Als ich als ,Mann im Strom’ untergegangen bin, hätte ich weinen können vor Rührung.”