Datia. Nach der Gruppenvergewaltigung einer Schweizer Touristin in Indien hat die Polizei sechs Männer dem Haftrichter präsentiert. Vier von ihnen werden beschuldigt, die Frau vergewaltigt zu haben. Allerdings sind die Gerichte des Landes für ihr Schneckentempo berüchtigt und für Empfänglichkeit von Schmiergeldern verrufen.
Die indische Polizei im Bundesstaat Madhya Pradesh präsentierte am Montag sechs Männer dem Haftrichter, die beschuldigt werden, ein Schweizer Touristenpaar überfallen und ausgeraubt zu haben.
Die 39-jährige Frau wurde zudem von vier Mitgliedern der Bande vergewaltigt. "Die Täter haben alle gestanden", verkündete ein Polizeisprecher in dem Ort Datia, in dessen Nähe es am Freitagabend zu der Gewalttat kam, nachdem die beiden in einem Wald ihr Zelt zum Nachtlager aufgeschlagen hatten.
Vier Männer der Bande sollen nun wegen Vergewaltigung angeklagt werden. Zwei, wie ihre Komplizen jüngere Bauern aus dem Dorf Jharia, sollen nur an dem Raub beteiligt gewesen sein. Die Polizei stützt ihre Vorwürfe auf das Eigentum des Paars, das bei den vermutlichen Tätern gefunden wurden.
Den Schweizern, die sich auf einer Radtour von Bombay zum Taj Mahal in Agra befanden, wurde ein Laptop, eine Batterie und rund 10 000 Rupien (etwa 174 Schweizer Franken) gestohlen. Eventuelle DNA-Spuren, sofern sie überhaupt von den Fahndern gesucht und gefunden wurden, können angesichts der Kürze der Zeit noch nicht ausgewertet worden sein.
Gerichte sind für Empfänglichkeit von Schmiergeldern verrufen
Das angebliche Geständnis der Täter alleine allerdings würde auf schwachen Beinen stehen. Die Gerichte des Landes, die für ihr Schneckentempo berüchtigt und für Empfänglichkeit von Schmiergeldern verrufen sind, trauen den wenigsten Beichten von Straftätern, die bei Vernehmungen ohne Verteidiger zustande gekommen sind. Wie gut sie dabei beraten sind, zeigt der Dokumentarfilm "Godless Justice" (Gottlose Gerechtigkeit) der Regisseurin Sunita Thakur.
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Darin erklärte vor vier Jahren ein Polizist vor laufender Kamera: "Wir erfahren von unseren Informanten von Leuten, die sich nicht benehmen. Bei denen müssen wir dann harte Mittel anwenden, damit sie nicht rückfällig werden." Laut einer Statistik der Nationalen Menschenrechtskommission starben zwischen 2002 und 2007 täglich vier Inder unter ungeklärten Umständen hinter Gittern - insgesamt 7468. Indien unterschrieb bislang nicht einmal die internationale Konvention gegen Folter. Bei einer von der Europäischen Union finanzierten Studie der deutschen FDP nahestehenden Friedrich Naumann Stiftung deckte die Organisation 10 000 Fälle von Folter auf, 2300 wurden an indische Gerichte weitergegeben.
Fall könnte sich in Luft auflösen
Doch der Fall des Schweizer Paares könnte sich nicht nur wegen Vernehmungsmethoden in Luft auflösen. Die Pflichtverteidiger der Angeklagten werden auch versuchen, auf Zeit zu spielen. Wenn die Opfer erst einmal das Land verlassen haben, so spekuliert jeder indische Rechtsanwalt in Strafverfahren mit ausländischen Opfern, wird es einfacher sein, die Vorwürfe zu entkräften.
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Das Schweizer Paar kündigte wohl auch deshalb an, es wolle vorläufig in der indischen Hauptstadt Delhi bleiben, um bei der Untersuchung des Falls zu helfen. Den Vergewaltigern droht bei einem Schuldspruch eine Maximalstrafe von zehn Jahren. Ein Gesetz mit einer Höchststrafe von 20 Jahren, das Indiens Regierung ausarbeitete, nachdem eine 23-jährige indische Studentin Ende 2012 in Delhi zu Tode vergewaltigt worden war, trat noch nicht Kraft. In Madhya Pradesh gibt es zudem die Schnellgerichte noch nicht, die Anfang des Jahres in der Hauptstadt eingerichtet wurden.