Bangkok. . Erneut ist in Indien eine Frau Opfer sexueller Gewalt geworden: Acht Männer vergewaltigten im indischen Bundesstaat Madhya eine Touristin aus der Schweiz. Ihr Begleiter wurde gefesselt und musste zusehen. Das Paar war in seinem Zelt etwas abseits der Straße offenbar von Dorfbewohnern überfallen worden. Sechs Verdächtige sind bereits gefasst, fünf von ihnen haben die Tat gestanden.
Es ließ sich an wie einer jener Abende, von denen man bei der Reiseplanung träumt. Rund hundert Meter von der Landstraße entfernt hatten die 38-jährige Lehrerin und ihr 29-jähriger Begleiter, beide in der Schweizer Stadt Lausanne zuhause, ihr Zelt aufgeschlagen, mitten im Wald nahe dem Ort Datia im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh. Doch dann verwandelte sich der romantische Abend abseits der Menschenmassen im übervölkerten Indien in einen brutalen Alptraum. Aus dem Dunklen stürmten acht Männer hervor, schlugen auf das Paar ein, fesselten den Mann und vergewaltigten die Frau.
Stunden später fanden Passanten die weinende Frau und ihren Begleiter und brachten sie zur Polizei. Fotos zeigen das Vergewaltigungsopfer, eine Frau mit langem blonden Haar, in einem Krankenhaus in der Stadt Gwalior. Am Sonntagmorgen verkündete die Polizei, sie habe drei, später hieß es sogar sechs Täter festgenommen. Fünf von ihnen sollen die Tat bereits gestanden haben.
Sie waren mit ihren Rädern unterwegs zum Taj Mahal
„Wir haben die Täter identifiziert“, behauptete der Polizeichef des kleinen Städtchen Datia, „es handelt sich um Diebe und Glücksspieler der Kajar-Gemeinschaft in dem Dorf Jharia Geon hier in der Nähe.“ Indiens Polizei inhaftiert nach Aufsehen erregenden Verbrechen gerne die „üblichen Verdächtigen“. Eine Gegenüberstellung mit dem Opfer muss klären, ob es sich tatsächlich um die Täter handelt. Das Schweizer Paar konnte den Behörden jedenfalls genaue Beschreibungen der Inder liefern, die in der Abenddämmerung mit anderen Dorfbewohnern noch neugierig zugeschaut hatten, als die beiden ihr Nachtlager aufschlugen.
Das Paar war mit seinen Fahrrädern auf dem Weg von der Stadt Orchha zum weltberühmten Taj Mahal in der Stadt Agra und hatte einen Zwischenstopp in Datia eingeplant. Die Gegend inmitten von großen Wäldern ist wegen ihrer Abgelegenheit und zahlreicher Tempeln vor allem bei ausländischen Rucksacktouristen beliebt. Die beiden Touristen entschlossen sich laut indischen Medien zu dem Nachtlager im Wald, weil sie glaubten, eine falsche Abzweigung genommen zu haben. Nachts ist es lebensgefährlich, sich mit Fahrrädern auf indische Landstraßen zu wagen.
Und zu leichtsinnigen Touristen gehörten die Schweizer offensichtlich nicht. Sie hatten aus dem Iran ein Flugzeug in die indische Wirtschaftsmetropole Mumbai genommen, weil ihnen das terrorgeplagte Pakistan zu riskant erschien.
Doch auch Indien birgt Gefahren. Seit den 90er-Jahren versammeln sich ausländische Reisende mit Wohnmobilen oder umgebautem Lastwagen auf Plätzen, die von den Behörden eingerichtet wurden. Denn schon damals häuften sich Überfälle auf Abenteuertouristen, die sich Träume von einer Weltreise erfüllten.
Was die beiden aber wahrscheinlich nicht wussten: Sie schlugen ihr Nachtlager im Wald in einer Gegend auf, die den schlimmsten Frauenmangel in Indien aufweist. Laut offiziellen Angaben kommen auf 100 Männer nur 85 Frauen. Der Grund: Während der vergangenen zwei Jahrzehnte haben viele Mütter unter dem Druck ihrer Familien systematisch weibliche Föten abgetrieben, weil Töchter „nur Geld kosten“, wie es in Indien gerne heißt. Bei der Heirat sind Mitgiften fällig, die häufig an die wirtschaftlichen Grenzen der Eltern der Töchter stoßen.
Indische Zeitungen berichtenüber drei weitere Verbrechen
Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist an der Tagesordnung. Erst kurz vor Weihnachten wurde eine 23-jährige Studentin zu Tode vergewaltigt. Während die Geschichte um das Schweizer Paar Wellen bis nach Europa schlug, meldeten indische Zeitungen den Tod einer 17-Jährigen in Agra, die vergewaltigt worden sein soll, die Vergewaltigung einer 38-jährigen Frau durch eine Bande während einer Busfahrt in der Stadt Indore sowie den Messerangriff auf eine 21-jährige Studentin durch einen Stalker. Das Gesicht des Opfers musste mit 14 Stichen genäht werden.
Angesichts solcher Beispiele appellierte der Schweizer Botschafter Linus von Castelmur nach der Vergewaltigung in Datia: „Die Botschaft hat Kontakt mit den Behörden aufgenommen und nicht nur eine schnelle Untersuchung, sondern auch schnelle Gerechtigkeit gefordert.“