Washington. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Kinoschützen von Aurora, James Holmes, soll jetzt im August beginnen. Die Anklage gegen den Mann ist am Dienstag verlesen worden. Die Verteidiger lassen bislang offen, ob sie einen Freispruch wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit anstreben.
Rätsel im Verfahren gegen den Kinoschützen: Die Verteidiger lassen es vorläufig offen, ob sie einen Freispruch wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit für den mutmaßlichen Amokläufer James Holmes anstreben. Bei der mit Spannung erwarteten Anklageverlesung in Centennial (Colorado) teilten die Anwälte des Angeklagten mit, dass sie und ihr Mandant noch nicht entschieden hätten. Sie seien noch nicht "bereit", zitierte sie am Dienstag die "Denver Post".
Der zuständige Bezirksrichter William Sylvester gab daraufhin trotz Einspruchs der Verteidiger im Namen des Angeklagten ein "Nicht schuldig"-Bekenntnis zu den Akten, damit das Verfahren fortgesetzt werden kann. Er machte der Zeitung zufolge aber zugleich klar, dass die Verteidigung dieses Plädoyer zu einem späteren Zeitpunkt abwandeln könne.
Prozessbeginn auf Anfang August festgelegt
Der Prozess soll nach Sylvesters Entscheidung am 5. August mit der Juryauswahl beginnen. Die Staatsanwaltschaft hat bis zum 1. April Zeit, zu entscheiden, ob sie im Fall eines Schuldspruchs die Todesstrafe beantragen will. Viele Experten bezweifeln das. Dazu gebe es zu viele Anzeichen für geistige Probleme des Angeklagten - auch wenn er als zurechnungsfähig eingestuft würde.
Tote bei Schießerei im Kino
Am Dienstag waren Kameras im Gerichtssaal erlaubt, erstmals seit langem bekam die Öffentlichkeit Holmes wieder zu Gesicht. Seine Haare sind längst nicht mehr feuerrot wie beim ersten Gerichtsauftritt nach dem Blutbad, sondern dunkel, und Holmes trägt jetzt einen Vollbart. Zu Wort meldete er sich auch diesmal nicht. Seine Eltern, die bei der Anklageverlesung dabei waren, schwiegen ebenfalls, die Hände im Schoß zusammengefaltet.
Schüsse bei "Batman"-Premiere
Holmes hatte am 20. Juli 2012 während einer "Batman"-Filmpremiere in einem Kino in Aurora zwölf Menschen erschossen und 58 verletzt. Er soll sich in 166 Anklagepunkten verantworten, allen voran Mord und versuchter Mord. Dass er das Blutbad begangen hat, bezweifelt niemand: Der heute 25-Jährige war direkt nach dem Amoklauf im Kino festgenommen worden - mit den Tatwaffen ganz in der Nähe. Strittig ist aber, ob Holmes zum Zeitpunkt der Tat geistig so krank war, dass er nicht für das Verbrechen bestraft werden kann.
Die Ankläger verneinen das. In bisherigen Anhörungen haben sie Holmes als einen kaltblütigen Mörder porträtiert. Er habe sein Verbrechen über zwei Monate hinweg sorgfältig geplant, sich gezielt die Tatwaffen zugelegt und vor dem Amoklauf sogar noch seine Wohnung als Sprengfalle präpariert. Augenzeugen haben zudem geschildert, mit welcher Seelenruhe Holmes während der nächtlichen Filmpremiere wahllos auf die Kinobesucher schoss - anscheinend ohne jede Regung.
Angeklagte ist in psychiatrischer Behandlung
Die Verteidiger werten genau dieses Verhalten als einen Beweis dafür, dass Holmes geistig krank und damit schuldunfähig sei. Tatsächlich befand er sich vor dem Blutbad in psychiatrischer Behandlung, bei seinen bisherigen Gerichtsauftritten erschien er stets wie benebelt - als ob ihn weder das Grauen der Tat noch die möglichen Folgen berührten.
Viele der im Saal anwesenden Angehörigen von Opfern seufzten der "Denver Post" zufolge frustriert laut auf, als die Verteidigung ein Plädoyer ablehnte. "Wir könnten das nicht ethisch verantworten", sagte Anwalt Daniel King dem Richter.
Wahrheitsserum für den Verdächtigen
Warum sich die Verteidiger mit der Festlegung auf die Prozessstrategie schwertun, liegt auf der Hand. Richter Sylvester hat angekündigt, dass er im Fall eines Plädoyers auf Unzurechnungsfähigkeit sofort eine Untersuchung des Angeklagten anordnen würde.
Der Angeklagte müsste sich damit einverstanden erklären, dass ihm dabei auch ein sogenanntes Wahrheitsserum verabreicht wird. Das Ergebnis der Untersuchung sowie alle Unterlagen über Holmes' frühere psychiatrische Behandlung würde auch der Staatsanwaltschaft zugänglich gemacht. Und darin, so die Experten, liegt ein großes Risiko für die Verteidigung. (dpa)