Backnang. Nach dem verheerenden Feuer in Backnang bei Stuttgart macht die Familie der acht Opfer den Vermieter und die örtlichen Behörden schwere Vorwürfe. Über die Ursache des Brandes gibt es bisher nur Spekulationen. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül schließt aber auch einen Anschlag nicht aus.
Angesichts rechtsextremistischer Anschläge in Deutschland in der Vergangenheit hält die Türkei nach den Worten ihres Staatspräsidenten Abdullah Gül bei der Brandkatastrophe von Backnang auch einen politischen Hintergrund für möglich. Wegen fremdenfeindlicher Brandanschläge in der Bundesrepublik in den vergangenen Jahren "ziehen wir alle Möglichkeiten in Betracht", sagte Gül nach türkischen Medienberichten vom Montag während eines Besuches in Schweden. Derzeit gebe es aber noch nichts Abschließendes über die Ursache des Feuers, das sieben türkischen Kinder und ihrer Mutter tötete.
Auch das türkische Außenamt erklärte, Ankara erwarte von den deutschen Behörden, dass sie "ernsthaft" in alle Richtungen ermittelten. Das gelte auch nach ersten Angaben der deutschen Polizei, wonach es in Backnang keine Hinweise auf einen Anschlag gebe. Ähnlich hatte sich am Sonntag bereits der für die Auslandstürken zuständige Vizepremier Bekir Bozdag geäußert. In der türkischen Presse wurde am Montag sowohl über einen Anschlag als auch über einen Unfall als Auslöser des Feuers spekuliert.
Suche nach Brandursache geht weiter
Bei dem Wohnhausbrand in Backnang nahe Stuttgart sind am Sonntag sieben Kinder und ihre Mutter ums Leben gekommen. Die Polizei geht inzwischen davon aus, dass es sich bei den Opfern um eine 40-Jährige und sieben ihrer insgesamt zehn Kinder im Alter von sechs Monaten bis 16 Jahren handelt. Die Ermittler vermuteten zunächst einen technischen Defekt als Ursache für den Brand.
Zur genauen Todesursache konnte die Polizei noch keine Angaben machen. Vermutlich sind die Kinder im Schlaf erstickt. "Wir hoffen, dass wir keine weiteren Personen finden", sagte ein Polizeisprecher. Die Leichen seien in zwei Räumen einer ausgebrannten Wohnung im ersten Stock gefunden worden, teilte die Polizei mit. Dort wird auch der Brandherd vermutet.
Nach Polizeiangaben sind in der betroffenen Wohnung ein türkischstämmiges Ehepaar mit acht Kindern gemeldet. Der Vater der Großfamilie habe aber dort nicht mehr gewohnt und sei zum Zeitpunkt des Brandes auch nicht in der Wohnung gewesen. Er werde inzwischen psychologisch betreut. Zwei erwachsene Kinder sind laut Polizei schon ausgezogen.
Keine Hinweise auf Brandstiftung
Das Inferno überlebt haben nach Polizeiangaben ein weiteres Kind der Familie, ein elfjähriger Junge, sowie ein Bruder der Mutter und die Großmutter. Die beiden Erwachsenen waren zu Besuch. Die drei konnten sich auf den Balkon retten und wurden von der Feuerwehr und von Gästen eines Lokals in Sicherheit gebracht. Der Junge und der Mann seien mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden.
Die Ermittler gehen davon aus, dass das Feuer in der Nacht im Bereich eines Heizofens in der Wohnung der Familie im ersten Stock ausbrach. Denkbar sei auch ein anderer technischer Defekt. Hinweise auf Brandstiftung oder einen fremdenfeindlichen Hintergrund gebe es nicht, betonte die Polizei.
Im Erdgeschoss des Gebäudekomplexes, in dem früher eine Gerberei untergebracht war, befindet sich neben einem Getränkehandel und zwei Gaststätten auch ein Deutsch-Türkischer Kulturverein. Das Gebäude ist inzwischen einsturzgefährdet.Neben der zehnköpfigen Familie sind in dem betroffenen Haus laut Polizei noch drei weitere Personen in einer Wohnung unter dem Dach gemeldet. Sie waren zum Zeitpunkt des Feuers aber nicht zuhause.
Bei einem Besuch am Unglücksort zeigte sich Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) erschüttert und betroffen. So ein Ereignis hinterlasse Spuren, sagte er. Für den Abend haben sich auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der türkische Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslioglu, in Backnang angekündigt.
Angehörige der Familie machen Vermieter und Behörden Vorwürfe
Angehörige der acht türkischstämmigen Opfer der Brandkatastrophe im schwäbischen Backnang haben dem Vermieter der Wohnung und den Behörden schwere Vorwürfe gemacht. Die elektrischen Leitungen in der Wohnung seien total marode gewesen, sagte die Großmutter der sieben getöteten Kinder, Hatice Özcan (62), am Montag in der Backnanger Moschee. Der Vermieter habe sich aber nicht darum gekümmert.
Wegen der schlechten Wohnverhältnisse habe sich die 40-jährige Mutter der Kinder mehrfach an deutsche Ämter gewandt, erklärten weitere Familienmitglieder. Das Jugendamt sei auch mehrfach in der Wohnung gewesen. Ein Polizeisprecher erklärte, der Vermieter werde im Zuge der Ermittlungen der Brandursache ebenfalls vernommen. (afp/dapd/dpa)