Hamburg. Paul Kuhn wird am 12. März 85. Die ARD würdigt die Musiklegende bereits am Mittwoch mit dem wundervollen Film „Schenk mir dein Herz“. Ein Interview über Jazz und Schlager, Howard Carpendale und Quincy Jones.

Paul Kuhn wurde bekannt mit seinem Hit „Der Mann am Klavier“. Berühmt wurde er als Jazzer. Die ARD würdigt die lebende Legende am Mittwoch, 20.15 Uhr, mit dem wundervollen Film „Schenk mir dein Herz“, in dem er in einer Reha-Klinik einen kranken Schlagersänger (Peter Lohmeyer) zum Jazz bekehrt. An seinem schweizerischen Wohnort erreichte Jürgen Overkott den Altersjubilar für ein Interview. Erst war Kuhn ein bisschen knurrig, dann sprach er mit erkennbarer Begeisterung über sein Leben.

Sie sind wieder der „Mann am Klavier“…

Paul Kuhn: …ach nein, das können Sie vergessen, der „Mann am Klavier“, das ist doch schon 50 Jahre her…

…doch, doch, Sie sind der Mann am Klavier in dem ARD-Film „Schenk mir dein Herz“.

Kuhn: Ah ja, der Film hat mir Spaß gemacht.

Wie kamen Sie zu dem Projekt?

Kuhn: Der Produzent des Films kam auf mich zu, Ralf Schwingel. Er hat mir gesagt, dass sei eine Rolle, die für mich gemacht sei. Aber es hat ziemlich lange gedauert, bis wir wirklich zusammengekommen sind, drei Jahre.

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Von Jürgen Overkott

Sie tragen in dem Film eine auffällige orangefarbene Brille. War das ein Regie-Einfall?

Kuhn: Ja und nein. Meine Augen sind überempfindlich gegen grelles Licht. Deshalb muss ich draußen immer eine Sonnenbrille tragen. Wenn ich keine Brille trage, entzünden sich meine Augen, und außerdem kriege ich dann Kopfschmerzen.

Sie fühlen sich in dunklen Räumen besser.

Kuhn: Das kann man so auch nicht sagen. Wenn es zu dunkel ist, sehe ich nichts mehr, zum Beispiel meine Noten auf dem Klavier.

Aber noch mal zurück zum „Mann am Klavier“. Ist der Titel Ihres Hits irgendwann mal zum Fluch für Sie geworden?

Kuhn: Ach nein, ich schäme mich dessen ja gar nicht. Das war eine andere Zeit, das war eben so in der Schlagerzeit, und ich hatte ja mit dem Stück auch großen Erfolg. Seit ungefähr zwölf Jahren mache ich mit Schlager gar nichts mehr. Ich habe mich völlig dem Jazz verschrieben.

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Von Thomas Becker

In dem Film wirken Schlager und Jazz wie natürliche Feinde, und der Film erzählt den Wandel Ihres Filmpartners Peter Lohmeyer wie die Bekehrungsgeschichte eines Schlagersängers.

Kuhn: Für mich sind das keine Gegensätze. Musik ist Musik. Es kommt immer darauf an, wie sie gemacht wird. Beides hat seine Berechtigung.

Was nur wenige wissen: Sie haben Howard Carpendale entdeckt.

Kuhn: Ich habe Howard Carpendale entdeckt? Nee, nee, der kam einfach in mein Büro. Aber wir haben drei Platten zusammen gemacht. Howard Carpendale hatte erwartet, dass der Produzent auch sein Manager ist und mit ihm von Radiosender zu Radiosender wandert.

Können Sie mit modernem Pop etwas anfangen?

Kuhn: Nein, gar nicht, moderner Pop interessiert mich nicht. Das klingt doch ein Stück wie das andere.

Ich höre daraus, dass Sie mehr an Traditionspflege interessiert sind. Wie sind Sie zum Jazz gekommen?

Kuhn: Ich habe Jazz während des Krieges in einem englischen Sender gehört, den durften wir ja eigentlich in der Nazi-Zeit gar nicht hören, aber für mich lief da die interessantere Musik. Wir hatten zu Hause ein Klavier, und ich sollte Klassik spielen, aber das hat mich nicht interessiert. Ich wollte lieber das spielen, was im Radio lief.

Und das kam Ihnen nach Kriegsende zupass.

Kuhn: Als die Amerikaner nach dem Krieg nach Deutschland kamen, wollten Sie Jazz hören. Aber ich konnte das damals noch gar nicht, ich hatte bestenfalls eine Ahnung davon. Ich kannte amerikanische Schlager, die übrigens viel besser sind als die deutschen, sie sind harmonisch besser und haben oft interessantere Texte. Ich war Sinatra-Fan. Er selbst war ja kein Jazzer, aber er hatte gute Jazz-Bands. Es war nie ein besser vor ihm, und nach ihm kam auch kein besserer.

Haben Sie die Gelegenheit gehabt, mit einigen Ihrer persönlichen Helden zusammen Musik zu machen?

Kuhn: Mit dem einen oder anderen schon. Ich bin locker befreundet mit (Michael-Jackson-Produzent, Red.) Quincy Jones. Das ist doch was, oder?

Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Kuhn: Kurz nach dem Krieg war er in Deutschland unterwegs, zusammen mit Nat King Cole. Quincy kam aus Schweden, und er hatte eine gute Band. Ich war begeistert, aber ich habe mich nicht getraut, den Mann anzusprechen, nicht mal für ein Autogramm. Wir haben uns später kennengelernt, da saßen wir zusammen in einer Jury. Und da haben wir uns dann lange unterhalten. Wenn mal hier in der Nähe ist, versuchen wir uns immer zu treffen. Wir begrüßen uns mit einem Handschlag, der richtig knallt, wie gute, alte Freunde.

In der populären Musik – Jazz rechne ich mal dazu – gibt es viele Künstler, die der Versuchung von Drogen nicht widerstehen können. Waren Sie früher auch ein wilder Typ?

Kuhn: Ach nein, ich war ein ganz Braver.

Sie haben hauptsächlich Cola getrunken.

Paul Kuhn: Na, pur nicht. Da war immer Whiskey drin (lacht schallend).

Durften Sie mal an einer Weihestätte des Jazz arbeiten?

Kuhn: Oh ja. Ich hatte zum Achtzigsten vor fünf Jahren eine Platte gemacht mit Jazz-Standards, und wir haben nicht nur mit meiner Band gespielt, sondern auch mit einem großen Orchester, das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, und davon durfte ich eine Fortsetzung machen, und zwar schon im November 2011. Wir waren in den Capitol-Studios in Hollywood, da wo Frank Sinatra seine Aufnahmen gemacht hat. Und ich habe da zusammengearbeitet mit Al Schmitt. Kennen Sie den?

Ja, er hat die Filmmusik von Henri Mancini veredelt, etwa „Frühstück bei Tiffany“.

Kuhn: Genau den meine ich. Jedenfalls haben wir in den Studios gespielt, und wir haben mit denselben Mikrophonen gearbeitet wie Frank Sinatra damals. Und als wir fertig waren, sagte Al Schmitt zu mir: „Cool, man“ (Klasse, Mann). Und ich weiß genau, das sagt er nicht zu jedem.