Hamburg. . Paul Kuhn, der Mann am Klavier, wird 85 Jahre alt. Mit dem Film „Schenk mir dein Herz“ strahlt die ARD am Mittwoch, 6. März, einen Film ihm zu Ehren aus.

Paul Kuhn ist eine lebende Legende. „Der Mann am Klavier“ (Titel seines größten Hits) hat Deutschland das Swingen beigebracht. Am 12. März wird der Musiker 85. Schon heute würdigt ihn die ARD mit dem wundervollen Film „Schenk mir dein Herz“ (20.15 Uhr).

Die Tragikomödie lebt davon, dass Paul Kuhn, der sich im Grunde selbst spielt, in einer Reha-Klinik einen kranken Schlagersänger (Peter Lohmeyer) zum Jazz bekehrt. Das klingt auf den ersten Blick nach Märchen, und doch ist es passiert. Die Geschichte spiegelt kaum verhüllt die Karriere von Paul Kuhn. In dem NDR-Film trägt der Musiker eine auffällige orangefarbene Brille. Ein Einfall von Regisseurin Nicole Weegmann? „Ja und nein“, sagt Kuhn, „meine Augen sind überempfindlich gegen grelles Licht. Deshalb muss ich draußen immer eine Sonnenbrille tragen. Wenn ich keine Brille trage, entzünden sich meine Augen, und außerdem kriege ich dann Kopfschmerzen.“

Kopfzerbrechen bereitet Kuhn zeitgenössischer Pop. Seine Helden sind die Helden seiner Jugend. Als der Zweite Weltkrieg zu Ende geht, ist er 17, und der gebürtige Wiesbadener lebt in der US-Besatzungszone: „Als die Amerikaner nach dem Krieg nach Deutschland kamen, wollten sie Jazz hören. Aber ich konnte das damals noch gar nicht, ich hatte bestenfalls eine Ahnung davon. Ich kannte amerikanische Schlager, die übrigens viel besser sind als die deutschen, sie sind harmonisch besser und haben oft interessantere Texte. Ich war Sinatra-Fan. Er selbst war ja kein Jazzer, aber er hatte gute Jazz-Bands. Es war nie einer besser vor ihm, und nach ihm kam auch kein besserer.“

Karriere macht er mit Schlagern

Kuhn hört und lernt. Karriere indes macht er mit Schlagern. 1954 landet er einen Hit: „Der Mann am Klavier“. Einflussreicher aber wird eine andere Single: „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ von 1963. Der Titel stimmt schon damals nicht. Aber weil die Zeile witzig ist, dringt sie ins kollektive Bewusstsein – der popkulturelle Ritterschlag.

Die Kölner Plattenfirma EMI Electrola macht sich Kuhns Gespür für Talente zunutze. Er wird Produzent – und entdeckt Howard Carpendale. Seine erste Single ist 1969 eine deutschsprachige Version des Beatles-Hits „Obladi Oblada“ – Kuhns Verdienst. Im Jahr darauf besingt Carpendale „Das schöne Mädchen von Seite 1“ – Kuhns Verdienst. Er selbst nimmt sich jedoch bescheiden zurück. „Ich habe Howard Carpendale entdeckt?“, fragt er rhetorisch, „nee, nee, der kam einfach in mein Büro.“ Die Partnerschaft währt nur kurz. „Howard Carpendale hatte erwartet, dass der Produzent auch sein Manager ist und mit ihm von Radiosender zu Radiosender wandert.“

Kuhn hat keine Zeit dafür. Ab 1968 leitet er die Big Band des Senders Freies Berlin (SFB, heute Radio Berlin Brandenburg). Das Fern­sehen macht Kuhn in West und Ost bekannt. „Pauls Party“ gilt als TV-Klassiker. Dann kommt 1980. Kuhn steht vor den Trümmern seiner Karriere. Die SFB Big Band wird aufgelöst, die EMI feuert Kuhn, zudem floppt seine „Gong Show“ im Fernsehen.

Kuhn trommelt seine eigene Big Band zusammen. In den 80ern begleitet sie Peter Alexander.

In den 90ern erfindet sich Kuhn ein weiteres Mal neu. Er macht keine Tanzmusik mehr, er spielt Jazz. Statt Big Band geht Kuhn mit einem Trio auf Tournee – und ins Studio. Eine Plattenfirma erfüllt ihm Wünsche, auch in jüngerer Zeit. Zum Achtzigsten gibt es ein Album mit Jazz-Standards im Streichergewand, und jetzt gibt es eine Fortsetzung davon: „The L.A. Session“ erscheint am Geburtstag. Das Album ist in den Capitol-Studios in Hollywood entstanden, genau dort, wo auch Sinatra sang. Und der Toningenieur war derselbe: Al Schmitt. Am Ende der Aufnahmesitzung macht Schmitt dem Deutschen ein Kompliment, das ihn stolz macht: „Cool, man.“