St. John’s. . Die „MV Lyubov Orlova“ wird zum Geisterschiff: Das ehemalige Kreuzfahrschiff sollte zum Verschrotten in die Karibik gebracht werden, doch das Abschleppseil riss. Jetzt droht es auf die Küste Irlands zu treffen. Es treibt mit etwa vier Kilometern pro Stunde vor der Küste Kanadas Richtung Ärmelkanal.

Seit mehr als zwei Wochen dümpelt das Geisterschiff „MV Lyubov Orlova“ verlassen im Nordatlantik und die Sorge wächst, dass der ausgemusterte Luxusliner zur handfesten Gefahr für die internationale Schifffahrt wird. „Auf seinem wahrscheinlichen Weg Richtung Osten kreuzt das Geisterschiff einige der wichtigsten Transportrouten im Nordatlantik“, sagte der kanadische Ozeanologe Brad de Young von der Memorial University von Neufundland dieser Zeitung. Kollisionen seien nicht auszuschließen.

Die kanadische Küstenwache rät Seeleuten daher in regelmäßigen Funknachrichten, das Geisterschiff „weiträumig“ zu umfahren. Die Behörden verfolgen die Route zudem mit Aufklärungsflügen und haben an Bord einen Sender angebracht, damit entgegenkommende Gefährte das Hindernis rechtzeitig auf ihrem Radar erkennen. Doch angesichts des stürmischen Wetters und des dichten Verkehrs auf der Nordatlantikroute biete auch das keinen absoluten Schutz, betonte de Young.

Nach den letzten verfügbaren Informationen befindet sich das einst für über 230 Passagiere gebaute Kreuzfahrtschiff etwa 700 Kilometer vor der kanadischen Küste in internationalen Gewässern. Laut einer Sprecherin wurden andere Schiffe gebeten, etwaige Sichtungen zu melden.

Ratten bevölkern das Schiff

Dabei bewegt sich das von Ratten bevölkerte Schiff offenbar schneller als gedacht. Der Eigentümer nannte eine Geschwindigkeit von vier Kilometern pro Stunde - das sind fast 100 Kilometer pro Tag. Danach könnte das Wrack bei ähnlichem Wetter womöglich schon im April auf die Küste Irlands oder Schottlands treffen.

Das 1976 gebaute Schiff hatte sich im Januar auf hoher See von einem Abschleppseil losgerissen und irrt seitdem herrenlos über den Atlantik. Zuvor war es einigen Ölbohrplattformen bedrohlich nahe gekommen. Diverse Abschlepp- und Bergungsversuche von Küstenwache und Eigentümer waren erfolglos geblieben.

Transport in die Dominikanische Republik

Die ursprünglich aus dem Iran stammende Händler-Familie hatte das Schiff vor einem Jahr gekauft und 400 000 Dollar investiert, um es transporttauglich zu machen. Mit einem angeheuerten Schlepper sollte es von Kanada in die Dominikanische Republik zum Verschrotten gebracht werden. Man hatte gehofft, dort zwischen 700 000 und 800 000 Dollar dafür zu bekommen. Doch der Schlepper war in einem so schlechten Zustand, dass er mittlerweile von den Behörden festgesetzt wurde.

Jetzt geht der Familie offenbar das Geld aus. „Das Schiff hat uns ruiniert“, sagte einer der Eigentümer kanadischen Medien. Nun wolle man versuchen, in Irland einen neuen Schlepper anzumieten, um das Schiff dort abzufangen. Noch ist aber völlig offen, ob sich der Plan verwirklichen lässt. Experten halten es auch für denkbar, dass das Wrack mit seinen möglichen Überresten an Treibstoffen und Ölen im Meer versinkt.

Untersuchungskommission soll die Vorfälle aufklären

Die kanadische Regierung jedenfalls sieht sich nicht mehr in der Verantwortung – und muss sich viel Kritik anhören. Die Opposition in Ottawa nannte es unverantwortlich, dass die Behörden den Abschleppversuch trotz des schlechten Wetters erst ermöglicht und das Schiff danach aufgegeben haben. Eine Untersuchungskommission soll die Vorfälle aufklären. Nicht wenige in Kanada hegen den Verdacht, dass die Behörden die Leine vorsätzlich gekappt haben könnten, um sich des Problems zu entledigen.