Berlin. Erneuter Rückschlag für den geplanten Großflughafen Berlin-Schönefeld: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Wannsee-Flugroute gekippt. Sie führe zu nah an einem Forschungsreaktor vorbei. Das Risiko eines terroristischen Anschlags sei bei der Planung nicht berücksichtigt worden.
Für den künftigen Hauptstadtflughafen in Schönefeld gibt es einen weiteren herben Rückschlag: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Wannsee-Flugroute am Mittwochabend für rechtswidrig erklärt. Sie führe zu nah am Forschungsreaktor des Helmholtz-Zentrums in Wannsee vorbei, teilte das Gericht nach dem ersten Verhandlungstag mit. Das zuständige Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) erklärte in einer ersten Reaktion, es wolle über weitere Schritte nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung entscheiden.
Der Reaktor befindet sich mit einem Lager für Brennstäbe und der Landessammelstelle für Atommüll nur knapp 20 Kilometer vom Flughafen entfernt im Südwesten Berlins. Laut Gericht sei bei der Routenfestlegung das Risiko eines Flugunfalls oder eines terroristischen Anschlags mit Flugzeugen nicht ermittelt worden. Auf mögliche Fragen zum Fluglärm sei es bei der Entscheidung nicht mehr angekommen, hieß es weiter.
Geklagt hatten die Stadt Teltow und die Gemeinden Stahnsdorf und Kleinmachnow in Brandenburg, die Deutsche Umwelthilfe sowie Privatpersonen, darunter eine Mitarbeiterin des Helmholtz-Zentrums. Beklagt wurde das BAF. Die Behörde hatte alle Routen des neuen Flughafens Ende Januar 2012 festgelegt.
Klagen auch gegen die Müggelsee-Route über Friedrichshagen
"Der Festlegung des angegriffenen Flugverfahrens liegt ein Ermittlungsdefizit zugrunde", bemängelte das Gericht. Eine "fallspezifische Risikoermittlung" wäre notwendige Grundlage einer Abwägung gewesen. Es bezeichnete die "Risikobetrachtungen für den Reaktor in Bezug auf den Flugverkehr" als "veraltet". Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließ das Gericht zu.
Das Verfahren war dem Vorsitzenden Richter zufolge das erste von zahlreichen weiteren gegen den Flugplatz, insbesondere gegen dessen Flugrouten. Neben der Wannsee-Route zwischen Berlin und Potsdam bleibt die Müggelsee-Route über Friedrichshagen umstritten. Auch gegen diese Streckenführung sind Klagen anhängig. Die Kläger gegen die Wannsee-Route nahmen das Urteil mit Genugtuung auf. Auch die Gegner der Müggelsee-Route zeigten sich am späten Mittwochabend in ihrem "Kampf" bestätigt.
Umweltverbände fordern Verlagerung des Flughafens von Schönefeld nach Sperenberg
Die Routen beschäftigen inzwischen auch die Europäische Kommission. Am 10. Januar 2013 wurde bekannt, dass das Gremium ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Erwägung zieht. Möglicherweise wurde bei der Routenfestlegung gegen zwei Richtlinien der Brüsseler Behörde verstoßen. Die Kommission bemängelt vor allem eine fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung von Routen, die über Natur- und Vogelschutzgebiete verlaufen - vor allem bei der Müggelsee-Route.
Zahlreiche Umweltverbände fordern eine Verlagerung des Flughafenstandortes von Schönefeld nach Sperenberg. Für die Baustelle des neuen Flughafens ist ihrer Ansicht nach eine "Nachnutzung" vonnöten. Das Areal in Sperenberg war bereits Anfang und Mitte der 1990er Jahre von der Landesregierung als Standort für einen neuen Großflughafen favorisiert worden. 1996 erfolgte allerdings der sogenannte Konsensbeschluss zu Schönefeld durch den Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg, auch wenn ein Raumordnungsverfahren unter Federführung Brandenburgs Schönefeld damals für ungeeignet erklärt hatte. (dapd)