Darmstadt. Das Unwort des Jahres 2012 ist “Opfer-Abo“. Die Jury kritisiert den Begriff. Er unterstelle Frauen, sie würden sexuelle Gewalt erfinden. Für 2012 waren rund 1019 verschiedene Vorschläge eingereicht worden. Im Jahr 2011 waren die “Döner-Morde“ das Unwort des Jahres.

Das "Unwort des Jahres 2012" lautet "Opfer-Abo". Die überraschende Entscheidung teilte die "Unwort"-Jury unter dem Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag in Darmstadt mit. Der Begriff war nur einmal als Vorschlag eingesandt worden. Die Jury ordnete das Schlagwort einer Äußerung von Jörg Kachelmann zu. Der Schweizer Moderator hatte im Zusammenhang mit Vergewaltigungsvorwürfen in einem Interview im Herbst 2012 davon gesprochen, dass Frauen ein "Opfer-Abo" hätten. Gemeint war damit, dass Frauen aus Kachelmanns Sicht stets die Opferrolle zugesprochen wird.

Kachelmann war in einem aufsehenerregenden Gerichtsprozess im Mai 2011 von dem Vorwurf freigesprochen worden, eine frühere Freundin vergewaltigt zu haben. Der am häufigsten eingeschickte Vorschlag "Schlecker-Frauen" wurde unter anderem verworfen, weil die Frauen den Begriff auch selbst benutzten.

Die Jury kritisierte den Begriff "Opfer-Abo", weil er Frauen "pauschal und in inakzeptabler Weise" unter den Verdacht stelle, sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterinnen zu sein. "Es ist problematisch, dass ein so Prominenter den Begriff verwendet hat", erklärte Janich.

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Unwort ist weitgehend unbekannt

Dass für 2012 ein selten vorgeschlagener Begriff gewählt wurde, sei aber auch schon 2009 mit "betriebsratsverseucht" der Fall gewesen, meinte Janich. Die "Unwort"-Jury, die im Kern aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten besteht, richte sich nicht nach der Häufigkeit der Vorschläge, das Gremium entscheide völlig unabhängig. "Die Entscheidung war schwierig, aber ein Konsens", sagte Janich.

Der Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim, Ludwig Eichinger, meinte, das "Unwort" sei "zu wenig bekannt". Allerdings handele es sich "um eine nicht nett gemeinte Wortbildung in einem sehr emotional geführten Streit".

Insgesamt gingen 2241 Einsendungen für das Unwort ein.

"Opfer-Abo" kam 2012 in den 470 000 Meldungen der Deutschen Presse-Agentur dpa nur einmal vor - nämlich in der Berichterstattung über das besagte "Spiegel"-Interview mit Kachelmann. "Frauen sind immer Opfer, selbst wenn sie Täterinnen wurden", sagte der Moderator dem Magazin. "Menschen können aber auch genuin böse sein, auch wenn sie weiblich sind."

Für 2012 wählte die Jury zu weiteren "Unwörtern" den Begriff "Pleite-Griechen". Er diffamiere "ein ganzes Volk und damit auch einen Teil der in Deutschland lebenden Bevölkerung in unangemessener und unqualifizierter Weise". Gerügt wurde auch die Bezeichnung "Lebensleistungsrente". Sie sei "irreführend bis zynisch". In Zusammenarbeit mit der Börse Düsseldorf wurde "freiwilliger Schuldenschnitt" als "Börsen-Unwort 2012" bekanntgegeben.

Wort des Jahres 2012 ist "Rettungsroutine"

Zum "Unwort des Jahres 2011" war "Döner-Morde" gewählt worden, 2010 "alternativlos" und 2009 "betriebsratsverseucht".

Neben der unabhängigen, sprachkritischen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt wählt davon getrennt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden das "Wort des Jahrs". Für 2012 wurde im Dezember der Begriff "Rettungsroutine" bekanntgegeben. Das Wort stehe für die immer wiederkehrenden Maßnahmen zur Rettung des Finanzsystems.