Essen. . Zu Silvester oder Neujahr fassen die Menschen gerne viele Pläne, wie sie ihr Leben bessern wollen. Meist geht das nach kurzer Zeit schief. Die Frage ist also: Ist das Datum sinnvoll? Bringen gute Vorsätze überhaupt etwas. Wir sprachen mit einer Expertin in Sachen Lebensfragen.
Sich mehr entspannen und weniger stressen lassen, mit dem Rauchen aufhören und ein gesünderes Leben führen – in diesen Tagen werden viele gute Vorsätze gefasst. Doch wie schafft man es, sie auch übers Neue Jahr zu halten? Die Psychoanalytikerin Ingeborg Lackinger Karger nennt gute Strategien.
Ist ein bestimmtes Datum wichtig, um gute Vorsätze anzupacken?
Die Jahreswende ist ein klassischer Einschnitt, der sich anbietet, um eine Wende auch im Leben zu planen. Der Zeitpunkt hat mit einer grundsätzlichen Eigenschaft von „guten Vorsätzen“ zu tun: Sie sind immer mit Hoffnungen und Wünschen im Hinblick auf die Zukunft verknüpft. Dass diese sich im Handumdrehen umsetzen lassen, ist eine Illusion: „Änderungen, die halten sollen, können sich nur allmählich entwickeln und hängen nicht von einem Datum ab“, sagt Ingeborg Lackinger Karger.
Wie kann ich einschätzen, ob meine Vorsätze realistisch sind?
„Sie sollten eine Leitschnur bilden, man sollte sich dabei aber immer fragen, ob man nicht einem unerreichbaren Ideal hinterher läuft“, erklärt die Psychoanalytikerin. Dann sei die Enttäuschung programmiert. Zu einem realisierbaren Wunsch gehöre aber auch die Ernsthaftigkeit, seine Erfüllung anzustreben – ohne zu viel von sich zu erwarten.
Auf welche Weise schaffe ich es, dass ich nicht schon nach kurzer Zeit wieder aufgebe?
Wenn ich mir beispielsweise vornehme, dass ich das Rauchen aufhöre, gleichzeitig auch noch eine Diät und täglich Sport mache, um in kurzer Zeit 15 Kilo abzunehmen, dann ist das zum Scheitern verurteilt. „Lieber in kleinen Schritten vorgehen, eine Liste von guten Vorsätzen machen und ihre Umsetzung auf einen längeren Zeitraum verteilen“, rät Dr. Lackinger Karger. Abstrakte Vorsätze wie der, ein guter Mensch zu werden, können ja immer noch eine Lebensaufgabe bleiben.
Gibt es eine Strategie, mit deren Hilfe ich mich beim Einhalten meiner Vorsätze Jahr kontrollieren kann?
„Hat man sich etwa vorgenommen, selbstbewusster zu werden, wäre es wichtig, generell aufmerksamer und achtsamer mit sich umzugehen – und besonders auf Situationen zu achten, in denen man sich eins mit sich fühlt. Diese Gefühle stärken das Selbstbewusstsein und es gilt, solche Umstände zu bekräftigen“, empfiehlt die Expertin. Doch ebenso wichtig sei es, immer wieder innezuhalten und generell nachsichtiger und wertschätzend mit sich umzugehen. Dann ist ein gelegentlicher „Rückfall“ in alte Verhaltens- und Erlebensweisen auch kein Drama. Dr. Lackinger Karger: „Die Einsicht in den Sinn von Veränderungen kann man sich nur selbst verschaffen – Ermahnungen und Druck durch andere erzeugt fast immer Widerstand.“
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Können mir andere Menschen helfen, meine Vorsätze einzuhalten?
„Das erfordert viel gegenseitiges Einfühlungsvermögen“, sagt die Psychoanalytikerin. Sonst schiebt man die Verantwortung schnell von sich weg, nach dem Motto „Du zwingst mich“ – und dann hat sich die Sache erledigt.
Wie sollte ich damit umgehen, wenn ich mitbekomme, dass andere ihre Vorsätze brechen?
„Für solche Situationen ist es gut, wenn man Absprachen trifft, wie man sich gegenseitig an Vorsätze erinnert“, sagt die Expertin. Das können humorvolle Bemerkungen oder eine Art Codewort wie in der Verhaltenstherapie sein. Hat jemand zum Beispiel die Absicht, nicht mehr so schnell aufzubrausen, so sei es geradezu notwendig, dass jemand „Stopp“ sagt, bevor sich die Situation hochschaukelt. Dafür sei es allerdings notwendig, dass man Verantwortung übernimmt – auch dafür, dass der andere einen erinnert.
Ist „alles vorbei“, wenn ich einmal einen Vorsatz gebrochen habe?
Das kommt immer auf den Vorsatz an. Einmal ein Nachschlag bei einem guten Essen wiegt nicht viel, will man abnehmen. Aber eine weitere Lüge kann beispielsweise eine bereits belastete Beziehung unrettbar zum Kippen bringen.
Gute Vorsätze vs. schlechte Angewohnheiten
Kann ich mir eine Belohnung in Aussicht stellen, damit ich besser durchhalte?
Wenn man es erreicht, seine Vorsätze einzuhalten, birgt das allein meist schon die Belohnung in sich. Denn es eröffnen sich neue Möglichkeiten: Die Freude, mehrere Kilos abgenommen zu haben, wird ja noch größer, wenn man sich komplett neu einkleiden kann. Ein gesundheitsbewussteres Leben führt dazu, sich körperlich und seelisch einfach wohl zu fühlen. „Und die Erfüllung, neue Quellen in seiner Beziehung eröffnet zu haben, kann doch nur schön sein“, meint Ingeborg Lackinger Karger. „Diese Erfahrungen sind Geschenke. Aber man kann sie nur mit Ernsthaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Willen und Durchhaltevermögen erreichen.“
Sollte man gute Vorsätze aufschreiben, um sie am Jahresende zu überprüfen und „fortzuschreiben“?
„Das kann sehr helfen“, erklärt die Psychoanalytikerin. Manchmal müsse man sich dann ehrlich eingestehen, dass Dinge nicht so gelingen oder sich nicht so schnell erledigen lassen wie gedacht. Das ist kein Weltuntergang: Ein neuer Anlauf zu einem späteren Zeitpunkt ist ja auch möglich. Es kommt auf die innere Haltung an. Lackinger Karger: „Man sollte freundlich mit sich umgehen und vor allem mit Selbstverantwortung an Vorsätze herangehen. Sie als Chancen sehen und nicht als quälende Verpflichtung.“