Köln. . Kann man heute noch Geschichten von Taubenvätern erzählen? Genau diese Frage stellt sich bei der ARD-Tragikomödie „Das Millionen-Rennen“. Dass der Film glückt, hat viel mit Axel Prahl und Peter Lohmeyer, den Hauptdarstellern des Films, zu tun. Beide glänzen in ihren Rollen.

Der Taubenvater spielte nur eine kleine Rolle beim ersten „Tatort“ aus Dortmund. Und dennoch musste die Figur viel Kritik einstecken. Der Taubenvater – er passt für viele Menschen im Revier nicht zum Strukturwandel an Ruhr und Emscher, passt nicht zum Bild eines modernen Ruhrgebiets. Dennoch stellt „Das Millionen-Rennen“ (ARD, Mittwoch, 20.15 Uhr) genau dieses traditionelle Milieu in den Mittelpunkt einer Tragikomödie. Ist der Film aus der Zeit gefallen? Wenn nein, wie geht er mit der Tradition um? Nostalgisch? Ironisch? Oder beides zugleich?

Der Drehbuch-Autor Benjamin Hessler kennt Land und Leute; er kommt aus Bochum. Er hat einen feinen Blick für Schrullig-Schräges. Bei der ARD-Serie „Mord mit Aussicht“ hat er es mit leiser Ironie unter Beweis gestellt.

Leise Ironie ist auch das Markenzeichen der Revier-Komödie, die Christoph Schnee inszeniert hat. Axel Prahl und Peter Lohmeyer verkörpern zwei Anti-Helden, die als „lucky loser“ letztlich doch das bessere Ende für sich haben: Die Verlierer-Typen erweisen sich zu guter Letzt als Glückspilze.

Die modernen Galeeren des digitalen Zeitalters

Doch zunächst sieht es gar nicht danach aus. Im Gegenteil: Axel Prahl ist Matze Wengeler; er malocht in einem Call-Center, wie die modernen Galeeren des digitalen Zeitalters heißen. Wenig Erfolg beschert ihm viel Druck.

Seiner Gattin (Beata Lehmann) geht es kaum besser. Sie arbeitet als Erzieherin in einem Kinderheim, das vor der Schließung steht.

Selbst das Familienleben ist nicht eben von überbordendem Frohsinn geprägt. Frau und Tochter (Luise Risch) werfen Mann und Vater vor, die Tauben mehr zu lieben als sie.

In der Not rauft sich Matze Wengeler ausgerechnet mit seinem Jugendfeind Ronny (Peter Lohmeyer) zusammen. Matze verhindert die Scheidung mit knapper Not, indem er seine gefiederten Lieblinge kurzerhand bei seinem Rivalen im Garten parkt. Natürlich geht die Geschichte zunächst in jeder Hinsicht schief: Matze bleibt nur eine einzige Taube. Zocker-Typ Ronny überredet Zauderer Matze, alles auf das tatsächlich existierende „Millionen-Rennen“ in Südafrika zu setzen.

Der Holsteiner und der Schalke-Fan

Christoph Schnee und seine Produzentin Katharina Trebitsch haben mit den Hauptdarstellern einen guten Griff getan – nicht nur weil das Publikum beide Schauspieler liebt. Während Schalke-Fan Lohmeyer für Ruhr-Klassik steht, signalisiert der Holsteiner einerseits mit seiner betont norddeutschen Aussprache Distanz zum Revier, das Ruhr-Deutsch jahrzehntelang fast folkloristisch pflegte. Andererseits passt der vierschrötige Prahl mit seiner bodenständigen Ausstrahlung wie kaum ein anderer in diesen Film.

Zugleich wurden Lohmeyer und Prahl nach dem Komödien-Prinzip des ungleichen Duos besetzt: Je gegensätzlicher die Typen, desto besser funktionieren sie. Tatsächlich geht die Rechnung auf.

Aus den 70er Jahren in die Gegenwart gebeamt

Lohmeyer spielt einen Filou, der sich durchs Leben schlawinert. Er balanciert auf dem schmalen Grat zwischen dumm und dreist. Genau das erweist sich schließlich als Glücksgriff.

Schnee inszeniert die beiden, als seien sie, wie der „letzte Bulle“, aus den 70er-Jahren direkt in die Gegenwart gebeamt worden. Konsequenterweise wirken Siedlung und Wohnung, in der die letzten Kumpel leben, wie ein Freilichtmuseum für Gelsenkirchener Barock. Auch wenn Matze Wengeler einen uralten Ford-Kombi mit Bochumer Kennzeichen fährt, hat sich Schnee bei der Wahl des Drehortes einen Scherz erlaubt: Die meisten Szenen spielen in Köln.