Gladbeck.

Er ist der bekannteste Historiker Gladbecks und hat sich bundesweit einen Namen als Experte für die NS-Geschichte gemacht: Dr. Frank Bajohr. Der 51-Jährige arbeitet und lebt seit vielen Jahren in Hamburg und Husum.

Bajohr ist seit 1989 als Wissenschaftler an der renommierten Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg tätig. Dort erforscht er vor allem die Geschichte der nationalsozialistischen Diktatur auf verschiedenen Themenfeldern. Sechs Bücher veröffentlichte er bereits dazu. „Insbesondere hat mich auch die Kultur im Dritten Reich interessiert“, erzählt Bajohr im WAZ-Gespräch. „Von Theater und Kino über Literatur, bis zu Sport und Karneval.“ Auch Persönlichkeiten wie Heinz Rühmann oder Fritz Szepan rückten in seinen Fokus.

Gutachter für Gelsenkirchen

Zu Szepan war Bajohr auch mal als Gutachter für die Stadt Gelsenkirchen tätig, als es um eine Straßenbenennung nach der S04-Ikone ging, die nach dem Nachweis der Nähe Szepans zu den braunen Machthabern zurückgenommen wurde. Bajohr ist wissenschaftlich aber auch jenseits der NS-Themen tätig: Er widmete sich der deutschen Arbeiterbewegung, der Geschichte der Bundesrepublik oder speziell auch deren Außenpolitik. Als Gastwissenschaftlicher arbeitete er u.a. bereits längere Zeitspänne in Washington und Jerusalem.

Parallel ist der gebürtige Gladbecker als Privatdozent an der Uni Hamburg tätig. „Einst wollte ich Lehrer werden, jetzt bilde ich dort Lehrer aus“, sagt er verschmitzt. Lehr-Schwerpunkte sind die Deutsche Zeitgeschichte, natürlich die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust, aber auch die Geschichte des Tourismus’. Das ist ein spezielles Gebiet, mit dem sich Bajohr beschäftigt. Dazu ist er am Montag, 10. Dezember, im TV zu sehen: In der ARD-Dokumentation „Strandleben“ wird er befragt zur Geschichte der Seebäder. Der zweite Teil läuft am Montag, 17. Dezember.

Bajohr stammt aus Brauck, studierte nach dem Abi 1979 am Ratsgymnasium in Essen Geschichte und Sozialwissenschaft. Aus dieser Zeit stammt sein Erstlingswerk „Gladbeck unterm Hakenkreuz“, das in seiner Heimatstadt nach der Veröffentlichung 1983 für Aufsehen und viele Diskussionen sorgte, war es doch das erste umfassende Werk, dass die NS-Zeit in Gladbeck aufarbeitete und mit vielem sehr kritisch umging. Kein Wunder, dass insgesamt mehr als 2000 Exemplare verkauft wurden.

Nur noch ab und zu in Gladbeck

Heute werde er kaum noch aufs Buch angesprochen, wenn in Gladbeck zu Besuch ist. Wie bei dem zum 80. Geburtstag seiner Mutter Inge Bajohr dieses Jahr, die einst einen kleinen Lebensmittelladen an der Boystraße betrieb, heute in Stadtmitte wohnt. Er bewundere, „wie sich so viele für Gladbeck abrackern“. Das werde zu wenig gewürdigt. Unter schwierigen Bedingungen werde versucht, mit dem Strukturwandel fertig zu werden. „Das fällt umso mehr auf, wenn man aus einer Boomstadt wie Hamburg kommt“, gesteht Bajohr.

Zurück ins Ruhrgebiet zieht den Wissenschaftler nichts. „Dazu bin ich zu sehr Norddeutscher geworden in all den Jahren.“ Das Elternhaus seiner Frau in Husum wurde schon zum künftigen Altersruhesitz erkoren, einstweilen ist es Wochenend-Domizil. Verbunden fühlt sich Bajohr, dem „Kleine-Leute-Milieu“, aus dem er stamme, wie er sagt. „Das hilft bei der Forschung, man nimmt sich nicht so wichtig.“ Da wundert’s auch nicht, dass er dem Arbeiterclub FC St. Pauli näher steht als dem elitären HSV.