Rheinberg. . Mit dem Auto auf den Übungsplatz: Slalom fahren, Ausweichen oder Büffeltritt. Was Sie bei einem achtstündigen Fahrsicherheitstraining lernen können. Ein Erfahrungsbericht.
So, Hand aufs Herz – kommt es öfter mal vor, dass Sie im Auto während der Fahrt frühstücken oder sich einen kleinen Snack zwischendurch gönnen? Na? Diese Frage muss wohl fast jeder für sich mit „Ja“ beantworten.
Auch ich hatte auf dem Weg zum Termin in Eile mein Käsebrot mit ins Auto genommen. Der Termin war ein achtstündiges Fahrsicherheitstraining. Aber einen Gedanken daran, dass das mobile Frühstück in irgendeiner Weise meine Aufmerksamkeit einschränken und die Stulle in der Hand zu verminderter Steuerfähigkeit führen könnte, verschwendete ich nicht. Ich fahre schon einige Jahre, fühle mich sicher. Probleme habe ich weder mit dem Anfahren am Berg noch mit dem Einparken. Ich kenne die Regeln, weiß, was ich tun muss, wenn ein Kaninchen oder ein Reh auf die Fahrbahn läuft.
Ein flaues Gefühl im Magen
Deshalb war ich zuvor durchaus zuversichtlich, nicht allzu viele Überraschungen zu erleben. Als Fahrtrainer Norbert Heistrüvers den Schulungsraum des Fahrsicherheitscentrums in Rheinberg betritt, spüre ich aber doch ein flaues Gefühl im Magen. Auch die anderen Teilnehmer blicken drein wie Schüler vor einer Klassenarbeit.
Heistrüvers erste Worte nach der Begrüßung sind: „Es kann nichts passieren. Ihnen nicht und dem Auto nicht“. Beruhigend. Und dann stellt er uns bloß. Die Frage nach dem Frühstück während der Fahrt führt zu schuldbewussten Mienen, aber vor allem auch dazu, dass aus 13 sich mehr oder weniger fremden, unsicher umherschauenden Männern und Frauen augenblicklich eine Gruppe mit Zusammengehörigkeitsgefühl wird.
„Es kann nichts passieren“
Nach einer kurzen Einführung geht es raus auf den Übungsplatz. Wir sind, ausgestattet mit Funkgeräten, immer mit dem Fahrtrainer verbunden. Seine Stimme hat den typischen, deftigen niederrheinischen Druck. Die erste Übung: Vollbremsung aus 50 Kilometern pro Stunde – alle Übungen werden übrigens mit maximal 50 gemacht.
Heistrüvers erklärt locker und einfach, ein bisschen wie in der Sesamstraße. Alles immer wieder, immer noch einmal. „Beschleunigen und dann: Kupplung, Bremse. Das ist hier der sogenannte Büffeltritt“, sagt der Fahrtrainer und haut sich dabei mit der rechten Faust in die linke Handfläche. „Also, beschleunigen, dann Kupplung und ..?“ Er blickt fragend in die Runde und wir antworten wie brave Schulkinder: „Büffeltritt.“ Einige machen unterstützend die Handbewegung nach. Diese Einfachheit nimmt uns die Aufregung.
"Attacke!" - und der Büffeltritt
Auf das Kommando „Attacke!“ trete ich das Gaspedal durch, schaffe es gerade kurz vor der Linie auf 50 Kilometer pro Stunde. Und dann: Büffeltritt. Alles klar, mein Twingo und ich rattern, ruckeln und stehen. Durch das Funkgerät schallt: „Haben Sie das schon mal gemacht?“ Nein, denke ich zufrieden.
Dass nicht alle so energisch sind, wird klar, als wir die Teilnehmer aus Gruppe zwei beobachten. Da schleicht sich der zuvor noch so forsche Audi-Fahrer an die Bremslinie heran, als ginge es darum, sanft an einer roten Ampel zu stoppen.
Ein bisschen wie Mario-Kart-Fahren
Immer wieder besprechen wir gemeinsam unsere Gefühle und Eindrücke, die uns in den ungewohnten Fahrsituationen teilweise ein bisschen überwältigen. Den größten Spaß macht das Fahren durch die plötzlich aus dem Boden hochschießenden Wasserwände. Hier heißt es: Beschleunigen und dann, Augen auf, Lücken finden und ab dadurch. Ein bisschen wie Mario-Kart-Fahren auf der Spielkonsole. Vor allem, weil mein kleiner Twingo sowieso stark an eines der kleinen Fahrzeuge aus der Welt von Mario und Yoshi erinnert.
Die Kräfte, die bei den – eigentlich nicht so schnellen 50 Stundenkilometern – wirken, überraschen mich. Dass es noch krasser geht, zeigt das Kreisbahnfahren. Nett gesagt heißt das: Kurven fahren. Aber diese Kurve endet nicht. Es geht rum und rum und rum – und durch das Funkgerät fordert Heistrüvers „Mehr Tempo, mehr Gas“. Dass er zuvor angesagt hatte, dass wir die Fliehkräfte bis etwa 36 km/h halten könnten, ich aber bereits eine rote 38 auf meiner Anzeige sehe, kann ich ihm nicht mitteilen. Das Funkgerät funktioniert nur in eine Richtung. Nach dieser Übung schütteln alle die Köpfe, um die Starre, die sich beim ständigen In-die-eine-Richtung-Gucken einstellte, loszuwerden. Auf Kirmes und Karussellfahren hab ich wohl die nächsten Monate erst einmal keine Lust mehr.
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Drehen und drehen und drehen ...
Die letzte Übung macht Angst. Wir beschleunigen und am Ende sollen wir auch bremsen. Aber dazwischen liegt ein einschüchterndes Detail. Der Fahrtrainer wird die Bodenplatte auslösen, die uns den hinteren Teil des Wagens wahllos nach rechts oder links wegzieht. Ich fahre los, gucke nach vorn, merke einen Ruck und drehe und drehe und drehe mich. „Gegenlenken“, maßregelt mich Heistrüvers. Aber keine Chance. Auch nach drei Versuchen schaffe ich es nicht, den Twingo beizukriegen. Ich denke stattdessen: „Wer hat diesen Verkehrsübungsplatz geplant und diesen riesigen Busch da so gefährlich nah an die Bahn gepflanzt?“ Nun gut, der Busch blieb unversehrt, genauso wie alle Teilnehmer. Aber von 13 Fahrern, schafften es nur zwei, ihr Auto nach dem Ruck auf der Bahn zu halten.
Im Abschlussgespräch resümieren wir. Alle sind zufrieden, haben das Ziel – herauszufinden, wie das Auto und wir selber in ungewöhnlichen Situationen reagieren – erreicht. Wir fühlen uns sicherer.