Beim Sicherheitstraining des ADAC sollten Fünftklässler des Martmöller-Gymnasiums schätzen, wie lang der Anhalteweg eines Autos bei Tempo 30 und bei Tempo 50 ist. Viele Schüler verschätzten sich gewaltig.

„Der Durchgang ist heute wegen eines Fahrsicherheitstrainings gesperrt.“ Welcher Schüler wünschte sich so ein Warnschild nicht am Schultor? Auf dem AMG-Schulhof heulten gestern die 130 PS eines Opel Corsa. „Und die Reifen quietschten . . . “, hätten wir früher geschrieben. Doch ADAC-Mann Ralf Helmer kriegt sowohl den Kavaliersstart als auch (dank ABS) die Vollbremsung fast abriebfrei hin.

Das Albert-Martmöller-Gymnasium läuft diese Woche wie andere Wittener Schulen auch im Modus „Projekt- und Fahrtenwoche“. Die vier fünften Klassen bekamen am Mittwoch sogar was Besseres geboten als schulfrei.

„Und das Beste kommt am Schluss“, stellt Ralf Helmer (55) bei der Begrüßung der 5 b unter Beweis, dass er sich nicht nur hinterm Steuer, sondern auch vor der Klasse auskennt. Der „gelernte“ Lehrer für Sport und Geografie tourt seit 15 Jahren mit dem ADAC-Verkehrsprogramm durch Westfalen.

Kurz abgelenkt – 28 Meter weiter

„Das Beste“ ist, dass die Schüler am Ende selbst mit im Corsa sitzen dürfen, wenn er bei Tempo 30 eine Vollbremsung hinlegt. Schon sind die Fünftklässler hochmotiviert, erst einmal mitzurechnen: „Wenn ein Auto 30 Stundenkilometer fährt, welchen Weg legt es dann in einer Sekunde zurück? Und bei 50 Stundenkilometern?“ Acht und 14 Meter kommen heraus und ein bisschen was hinterm Komma, aber darauf kommt’s nicht an. Die „eine“ Sekunde ist ohnehin nur die geschätzte Reaktionszeit, die ein Fahrer braucht, um vom Gaspedal zum Bremspedal zu wechseln. „Das macht es so gefährlich, wenn einer dann noch zwei Sekunden ins Handschuhfach abtaucht“, warnt Ralf Helmer. Dann ist er bei Tempo 50 schon 28 Meter weiter gefahren.

Und der eigentliche Bremsweg, den das Auto benötigt, um zum Stand zu kommen, kommt ja noch oben drauf: zirka vier Meter sind’s mit ABS bei Tempo 30, etwa zehn Meter bei Tempo 50.

Genug gerechnet! Nicht umsonst hat der ADAC-Experte mit Kreide auf den Schulhof 28 Meter-Markierungen gemalt. Die Mädchen und Jungen sollen den ganzen Anhalteweg (Reaktionszeit + Bremsweg) schätzen und sich dort neben die Strecke stellen, wo der Corsa ihrer Meinung nach zum Stehen kommt.

Helmer steigt ein, beschleunigt auf 50 km/h, bringt den Kleinwagen stotternd nach 24 Metern zum Stand. „Ich wurde überfahren, ich bin tot!“, ruft Finn (10) begeistert. Er ist nicht der Einzige. Die meisten der 28 Schüler haben in der „Todeszone“ gestanden – der Corsa ist an ihnen vorbei gerauscht. Beim Versuch mit 30 km/h sieht’s nicht viel besser aus. Das Auto steht nach 13 Metern, an der Seite steht der erste Schüler schon bei acht Metern.

Ohne Gurt keine Chance

Ralf Helmer vergibt bei diesen Tests auch schon mal Schulnoten: sehr gut, mangelhaft, ungenügend. Das hieße dann im richtigen Leben: unverletzt, schwer verletzt, tot. Nach seiner Beobachtung aus vielen Jahren unterschätzt etwa die Hälfte der Kinder den Anhalteweg eines Pkw.

Endlich, „das Beste“: Je drei Schüler dürfen mit ins Auto zur Vollbremsung bei 30 km/h. Zweck der Übung: die Kräfte spüren, die da schon wirken, kapieren, wie wichtig richtiges Anschnallen ist. Ralf Helmer steigt in die Eisen. Die Mitfahrer hebt’s leicht aus dem Sitz, alle lachen spontan. „Cool, ich bin ein bisschen hochgeflogen“, sagt Gillian (10). „Es hat richtig gekribbelt vorher“, berichtet Jenny (11). Angst hatte sie aber keine. Die Kinder wissen: auf den ADAC ist Verlass.