Essen. Götz George gibt in dem ZDF-Zweiteiler „Deckname Luna“ einen Raketenbauer. Der geniale Tüftler aus Sibirien macht während des Kalten Krieges in den Westen rüber und heuert bei einer Firma in Augsburg an. Überhaupt hält der Film bestenfalls lockeren Kontakt zur Wirklichkeit: Er verpilchert den Kalten Krieg.
Der Herbst dient inzwischen der kollektiven Erinnerung an die jüngere deutsche Geschichte. Seit geraumer Zeit soll im Fernsehen zusammenwachsen, was zusammengehört. Dieses Jahr legte das Erste eindrucksvoll vor mit der Verfilmung von Uwe Tellkamps Dresden-Roman „Der Turm“. Jetzt, wenige Tage vor dem Jahrestag des Mauerfalls, legt das ZDF mit einem Zweiteiler nach: „Deckname Luna“ (5. und 8. November, 20.15 Uhr). Dabei verfolgt es bei dem Vierstünder einen völlig anderen Ansatz als die ARD-Kollegen: Sie wollen große Geschichte und große Gefühle mixen vor dem Hintergrund des Kalten Krieges.
Götz George ist der Raketenbauer, der aus der sibirischen Kälte kam. Der geniale Tüftler macht in den Westen rüber und heuert bei einer Firma in Augsburg an, die – man höre und staune – die erste Mondrakete bauen will.
Der einzige Freund in der Stasi-Zelle: eine Kakerlake
Georges Schicksal als grundgütiger Großvater, der ein überaus herzliches Verhältnis zu seiner Enkelin Lotte (Anna Maria Mühe) pflegt, liegt in den Händen eines Dreigestirns: der Regisseurin Ute Wieland sowie ihres Drehbuch-Teams Christian Jeltsch und Monika Peetz. Das Trio versucht sich an einer gut gemeinten Geschichte. Es geht um eine starke, idealistische Frau, die hoch hinaus will, zum Mond nämlich. Sie endet, machtlos gegen Geheimdienst-Intrigen, im Sumpf der ost-westlichen Schnüffelei. Und das kommt so: Ihr Bruder (Ludwig Trepte) verhilft Lotte zur Flucht in den Westen. Sie kommt durch – und er in den Knast. Die Schergen des DDR-Regimes nötigen Lotte zur Spionage im Westen – ausgerechnet im Betrieb, in dem ihr Großvater tüftelt. Das kann nicht gut gehen.
Schlapphut-Melodram und jugendfreies Histörchen
Dabei erzählt das Schlapphut-Melodram von einer Vergangenheit, die es so nie gegeben hat. Dabei behaupten sie mit Inbrunst die Echtheit des Geschehens. Ute Wieland gibt sich alle erdenkliche Mühe, das jugendfreie Histörchen in die Historie einzubetten. Dabei montiert sie brillant dokumentarisches Material in die Spielhandlung ein. Die Übergänge zwischen Fakten und Fiktion gelingen glänzend, selbst die Übergänge von Schwarz-Weiß zu Farbe überzeugen. Kameramann Peter Przybylski garniert den pseudohistorischen Bilderbogen mit erlesenen Bildern, die die 60er-Jahre so schön wie nie zuvor erscheinen lassen. Selbst die Musiktitel jener Jahre sind clever ausgesucht, nicht nur das wohl obligatorische „Fly Me To The Moon“. All das schreit geradezu nach Prämierung, säße das Projekt nicht einem grundsätzlichen Denkfehler auf.
Nur lockerer Kontakt zur Wirklichkeit
Das Drehbuch behauptet, in Deutschland habe es Unternehmen gegeben, die ohne kommerzielles Ziel zum Mond fliegen wollten. Erst in Geldnot, so wollen uns die Autoren weismachen, hätten die bayerischen Düsentriebs den Staat angepumpt. Raumfahrt aber war bisher weitestgehend eine Frage politischen Prestiges und militärischen Kalküls. Überhaupt hält der Film bestenfalls lockeren Kontakt zur Wirklichkeit: Er verpilchert den Kalten Krieg.
Dennoch zwingt ein exzellentes Ensemble bei der Geheimdienst-Schmonzette zum Hinsehen. Götz George als lebenserfahren-misstrauischer Opa-Bär mit großem Herz, natürlich. Anna Maria Mühe hat die Sympathien des Publikums als kulleräugig-naive Enkelin. Beide balancieren geschickt auf dem schmalen Grat zwischen Trauen und Täuschen. Als eigentliche Überraschung entpuppt sich Ludwig Trepte mit starken Szenen. Eine davon: In der Stasi-Einzelzelle freundet er sich mit einer Kakerlake an. Die Begegnung hat nichts Ekliges. Im Gegenteil: Die Szene rührt an. Das Tier schenkt dem Häftling die Nähe, die ihm seine Umwelt nicht geben kann.