Berlin. . Nach der tödlichen Prügel-Attacke am Berliner Alexanderplatz sind drei Verdächtige gefasst. Doch nur einer von ihnen sitzt in Untersuchungshaft. Warum wurden zwei junge Männer wieder freigelassen?

Sie waren wahrscheinlich zu sechst, als sie ihr Opfer ins Koma prügelten. In der Nacht zum 14. Oktober schlugen und traten mehrere junge Männer den 20-jährigen Jonny K. auf dem Berliner Alexanderplatz so lange, dass der Sohn eines Deutschen und einer aus Thailand stammenden Frau einen Tag später seinen schweren Verletzungen erlag. Drei Tatverdächtige sind mittlerweile gefasst. Doch nur einer von ihnen sitzt in Untersuchungshaft.

Bereits am Dienstag war den Fahndern der 1. Mordkommission mit der Festnahme des 19-jährigen Osman A. ein erster Durchbruch gelungen. Der Verdächtige befindet sich in Untersuchungshaft. Und schweigt. Anders als die beiden jungen Männer, die sich am Mittwoch freiwillig der Polizei stellten und ihre Beteiligung an der Schlägerei gestanden. Sowohl der 19-jährige Melik als auch sein zwei Jahre älterer Freund Mehmet sind, wie die Berliner Staatsanwaltschaft bestätigt, mittlerweile wieder auf freiem Fuß – allerdings aus unterschiedlichen Gründen.

Staatsanwaltschaft hat Beschwerde gegen Haftverschonung eingelegt

Bei Melik geht der Haftrichter derzeit „nur“ von gefährlicher Körperverletzung aus. Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen soll er einen Begleiter des Opfer angegriffen und verletzt haben. Zu wenig, um ihn in Haft zu nehmen.

Gegen Mehmet wurde zwar wegen Körperverletzung mit Todesfolge Haftbefehl erlassen, der Vollzug aber wurde ausgesetzt. „Begründet wurde dies mit den Aussagen des Beschuldigten zur Tat, den sozialen und familiären Bindungen und seinem Vorleben“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner. Gegen die Haftverschonung habe die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt. Ein Antrag auf Aufschub der Haftverschonung seitens der Staatsanwaltschaft sei aber abgelehnt worden.

Haftentlassung juristisch richtig, aber auch gerecht?

„Rein rechtlich nicht zu beanstanden“, findet der Marler Rechtsanwalt Sam Benecken. Es sei von den Verdächtigen klug gewesen, sich zu stellen und zu gestehen. „Das ist immer gut. Damit haben sie klar gemacht, dass sie sich dem Verfahren stellen, sich ihm nicht entziehen wollen.“ Was die Haftgründe Flucht und Verdunkelungsgefahr ausschließt.

Selbst Veit Schiemann, Sprecher des Opfervereins Weißer Ring, sagt: „Formaljuristisch ist diese Entscheidung bestimmt richtig.“ Dennoch kann Schiemann nachvollziehen, dass die Freilassung auf Empörung in der Bevölkerung stößt. „Auch wenn es richtig ist, muss es nicht gerecht sein.“ Vor allem nicht in den Augen der Bürger. „Aber das Volk kann auch Aspekte weglassen, die ein Gericht berücksichtigen muss.“ Er hoffe, dass der Freigelassene nicht rückfällig werde. „Dann möchte ich nicht in der Haut desjenigen stecken, der den Mann freigelassen hat.“

Drei Täter weiter auf der Flucht

Angehörige und Bekannte des Opfers können die Entscheidung des Haftrichters nicht verstehen. „Wir sind total entsetzt, dass die Verdächtigen nicht in Untersuchungshaft gekommen sind“, sagte Kaze C. (29) dem Berliner Tagesspiegel. „Die beiden können jetzt frei herumlaufen und machen, was sie wollen. Was ist, wenn sie doch abhauen, weil neue Beweismittel auftauchen?“, fragt der Freund des Getöteten, der bei dem Überfall selbst schwer verletzt wurde.

Drei der insgesamt sechs Tatverdächtigen sind weiterhin auf der Flucht. Ihre Identität ist allerdings bekannt. Einer der mutmaßlichen Schläger, möglicherweise die „treibende Kraft“ der Gruppe, könnte sich laut Staatsanwaltschaft in die Türkei abgesetzt haben.