Den Haag. . Erstmals verhandelt ein Gericht in den Niederlanden wegen Umweltvergehen im Ausland, genauer: wegen der Ölkatastrophe im Niger-Delta. Der Shell-Konzern muss sich verantworten. Es ist ein Präzedenzfall. Sollten die klagenden Bauern Recht bekommen, könnten weitere Klagen folgen.
Es klingt nach einem Kampf David gegen Goliath: In Den Haag haben vier kleine nigerianische Fischer und Bauern den Weltkonzern Shell verklagt. Sie fordern Schadenersatz und die Beseitigung der Ölpest im Niger-Delta, die ihnen seit Jahren ihre Lebensgrundlage entzieht.
Barizza Dooh ist einer von ihnen. Vor Jahren verdiente er den Lebensunterhalt für seine Familie mit einer Fischzucht. Permanente Lecks in den Pipelines, vor allem das daraus strömende Öl töteten seine Fische. „Durch die Lecks wurde ein ganzes Ökosystem zerstört“, sagt er. „Es gibt keinen Fisch mehr, keine Schnecken, keine Kleinstlebewesen. Gar nichts.“
Sanierung des Niger-Deltas würde bis zu 30 Jahre dauern
Nach einer im August 2011 veröffentlichten Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sind die Umweltverschmutzungen so schwerwiegend, dass eine Sanierung der betroffenen Region 25 bis 30 Jahre in Anspruch nehmen und Kosten von bis zu 1 Milliarde Dollar verursachen wird. Umweltexperten halten die Ölkatastrophe im Niger-Delta für die größte der Welt.
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Die Nigerianer, die bei ihrer Klage von der niederländischen Umweltschutzorganisation „Milieudefensie“ unterstützt werden, haben bereits einen ersten Teilerfolg errungen. Denn es ist das erste Mal, dass sich ein niederländischer Konzern in der Heimat wegen Umweltvergehen im Ausland vor Gericht verantworten muss.
Der Weltkonzern Shell wollte den Prozess verhindern
Natürlich hatte sich der Weltkonzern Shell gewehrt. Das Unternehmen spricht von Sabotage. Kriminelle würden Löcher in die Rohre schlagen, um Öl zu klauen. Im Zweifel sei die nigerianische Tochtergesellschaft verantwortlich. Shell selbst habe längst alle Lecks beseitigen lassen.
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„Stimmt nicht“, sagt „Amnesty International“. „Egal, mit welchen Beweisen Shell konfrontiert wird: Der Konzern drückt sich davor, die Verantwortung für die gravierenden Verschmutzungen zu übernehmen, die dadurch verursacht wurden, dass Shell die eigenen Anlagen nicht richtig in Stand gehalten und gesichert hat, und das austretende Öl nicht ordnungsgemäß beseitigt hat,“ erklärt Audrey Gaughran, Leiterin der Abteilung für Global Issues bei Amnesty International.
Shell hat Umweltstandards in Nigeria "schlicht missachtet"
„Doppelmoral“ wirft Geert Ritsema von „Milieudefensie“ Shell vor. „In Europa wäre es undenkbar, dass ein Konzern die Anbauflächen der Bauern mit Öl verschmutzt und das dann jahrelang einfach liegen lässt.“ Weit weg vom Mutterkonzern würden Umweltstandards schlicht missachtet.
Dieses Vorgehen könnte sich bald ändern. Sollten die Nigerianer vor Gericht Recht bekommen, könnte es weitere Klagen nach sich ziehen. Im Niger-Delta wohnen 26 Millionen Menschen.