Marl. . Er galt als der „Schrecken von Neuperlach“ – schon mit vierzehn hatte Muhlis A. alias Mehmet 60 Straftaten auf dem Kerbholz. 1998 wurde er in die Türkei abgeschoben. Der Fall machte bundesweit Wirbel, zumal Mehmet wenige Jahre später erneut in Deutschland gewalttätig wurde und in die Türkei verschwand. Nun will er zurück nach München.

Dicker ist Muhlis A. alias Mehmet geworden und ein Mann. Äußerlich kein Vergleich mit dem Jungen, der von deutschen Behörden einst als jugendlicher „Serientäter“ geführt und der von den Menschen „Horrorkid“ getauft wurde. Oder „Schrecken von Neuperlach“ -- nach dem Münchner Stadtteil, in dem er so lange Angst und Schrecken verbreitete. Vor sieben Jahren hat sich der damals 21-Jährige in die Türkei abgesetzt, um einer Gefängnisstrafe in Deutschland zu entgehen. Jetzt will er zurück nach Bayern. „Nur als Tourist“, wie sein Anwalt Burkhard Benecken aus Marl versichert. In Haft will er nicht. „Wir werden“, kündigt Benecken an, „ein Gnadengesuch stellen.“

Benecken war bei ihm, war in der Türkei. Für drei Tage ist der Anwalt nach Istanbul gereist und wurde „positiv überrascht“. Ein „sauberes Führungszeugnis“ hat er gesehen, einen „geläuterten Mehmet“ erlebt. „Ich glaube, dass er bereut“, sagt Benecken. Aber was soll er als sein Anwalt sonst auch sagen?

„Sauberes Führungszeugnis“

Jedenfalls will er Mehmet helfen, rechnet aber wie sein neuer Mandant mit „erheblichem Gegenwind“. Einen roten Teppich wird jedenfalls niemand ausrollen in Bayern. Dort wo Mehmet gestohlen und betrogen hat, geschlagen und geraubt. Mehr als 60-mal, bevor er 14 Jahre und strafmündig ist. Und einmal auch danach. Wofür er 1998 verurteilt und in die Türkei abgeschoben wird. „Ein Unding“, sei das gewesen, findet Mehmet. Man habe ihn behandelt wie einen „Schwerkriminellen.“

2002 erklärt das Bundesverwaltungsgericht die Abschiebung für rechtswidrig. Mehmet kommt zurück, macht seinen Schulabschluss, gilt als resozialisiert. Bis er drei Jahre später seine eigenen Eltern erpresst und verprügelt. Dafür soll er 18 Monate ins Gefängnis. Um der Haft zu entgehen, setzt er sich freiwillig in die Türkei ab. Kurz ist er dort ein Medienstar, dann ist er meist pleite. Derzeit, so ist zu hören, hält er sich mit dem Betrieb einer Paintball-Anlage in der westtürkischen Stadt Cerkezköy über Wasser.

Jedenfalls will er zurück. Für einen Monat, vielleicht auch zwei oder drei. Nicht nur, um alte Freunde zu treffen. Nein, auch ein Buch will er vorstellen und – einmal vor Ort -- kriminellen Münchner Jugendlichen dabei helfen, wieder auf die richtige Bahn zu kommen. „Ich habe mich geändert. Und ich bereue meine Taten.“

Deshalb will Benecken ein Gnadengesuch an die zuständige Staatsanwaltschaft stellen. Viel zu hart sei die Strafe damals gewesen. „Mehmet war damals noch sehr jung.“

2015 tritt Verjährung ein

Gegen eine eigentlich unanfechtbare Ausweisungsverfügung, die ebenfalls noch existiert, will der Verteidiger auch vorgehen -- mit einem Verweis auf die geänderte Ausländerrechtslage: „Seit Ende 2005 gibt es ein Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und Deutschland. Danach ist die Ausweisung eines türkischen Staatsbürgers nur noch in Ausnahmefällen möglich.“ Insgesamt ist der Jurist, „ziemlich optimistisch“, dass sein Mandant wieder nach Deutschland kommen könne, ohne ins Gefängnis zu müssen. Auch wegen der ersten, ungerechtfertigten Ausweisung von 1998. Da der Staat einen Fehler gemacht und Mehmet, ganz vereinfacht gesagt, „jetzt einen gut hat“.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht das völlig anders. Mehmet sei gefährlich, und wenn er nach Deutschland einreise, „muss er seine gerechte Strafe absitzen“. Am liebten aber wäre es Herrmann offenbar, wenn der junge Mann sich gar nicht erst auf den Weg machen würde. „Mehmet wollen wir hier nicht.“

2015 kann er trotzdem kommen. „Nach zehn Jahren“, erklärt Benecken, „greift die Vollstreckungsverjährung. Dann hat sich das Gefängnis ohnehin erledigt.“