Berlin. . Pop-Philosoph Richard David Precht macht fürs ZDF Nachdenken zur Show. Sein Streitgespräch mit Hirnforscher Gerald Hüther erinnert an Fußball: Beide spielen sich die Bälle zu. An diesem Sonntag, 22.30 Uhr, feiert Prechts neue Sendung TV-Premiere.

Die Freiheit des Philosophen beginnt beim Hemdknopf. In der ersten Folge seiner mitternächtlichen TV-Gespräche hat Richard David Precht gleich die obersten drei geöffnet – und erlaubt der Kamera, immer wieder in Nahaufnahme in seinen gebräunten Ausschnitt zu kriechen. Soviel Haut ist selten, im hochkulturellen Nachtprogramm des ZDF.

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Für das ZDF ist der Bestsellerautor einer der „führenden Intellektuellen der Bundesrepublik Deutschland“. Dass er auch noch gut aussieht und knackige Hauptsätze formulieren kann, kommt den Mainzern gerade recht. Das Etikett „Precht“ verspricht Bildung ohne Anstrengung, philosophische Aha-Effekte für jedermann. Prechts Solonummer ersetzt beim ZDF das „Philosophische Quartett“ von Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski.

Sechsmal im Jahr trifft Precht („Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“) einen Gast aus Wissenschaft, Politik oder Gesellschaft. Eine Dreiviertelstunde lang beobachtet die Kamera die beiden bei der Arbeit: Der 47-jährige Germanist hockt mit seinem Gast an einem hell erleuchteten Tischchen, umgeben vom Dunkel des Studios. Kein Publikum, keine Dekoration, keine Einspielfilme. „Intensiv“ sollen die Gespräche sein, ein „Ringen um Erkenntnis“, mit dem die Zuschauer „noch Tage später beschäftigt sind“. Keine Frage: Bei so viel philosophischem Furor muss die Kamera natürlich mitkriegen, wann der erste Schweißtropfen von der markanten Gastgeberstirn rollt.

Skandal statt Analyse

„Denken live“ nennt ZDF-Kulturchef Peter Arens die neue Sendung. Und er weiß: Eine Dreiviertelstunde lang zwei Menschen im Gespräch zu zeigen, ist nicht gerade ein Quotengarant. Eine halbe Million Zuschauer – mehr erwartet hier keiner.

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Am späten Sonntagabend (ZDF, 23.30 Uhr) empfängt Precht seinen ersten Gast: Der Hirnforscher Gerald Hüther prangert das deutsche Bildungssystem an. Bei „Precht“ wird daraus „Skandal Schule – Macht lernen dumm?“. Das wundert: In der Regel bemühen sich Philosophen eher um Analyse als um Skandalisierung. Wer wenigstens ein Streitgespräch erwartet, wird ebenfalls enttäuscht. Die beiden spielen sich die Bälle zu. Precht zitiert lustvoll das Schimpfwort vom „Bulimie-Lernen“ an deutschen Schulen – Stoff schlucken, nur um ihn wieder auszuspucken. Hüther nickt begeistert.

Selbstzweifel muss man lange suchen. Im Gegenteil: Manch pastoraler Satz schrammt gefährlich am Hochmut entlang. Lehrer wollte Precht jedenfalls nie werden: Jahr für Jahr „die Wiederkehr des sinnlosen Gleichen“ zu ertragen, das wäre nichts für ihn. Dafür weiß er genau, wie es besser geht: das dreigliedrige Schulsystem abschaffen, andere Schulgebäude bauen, andere Lehrmethoden einführen.

Als nächster Gast kommt nicht zur Abwechslung eine kluge Frau, sondern ein mächtiger Mann: Springer-Chef Mathias Döpfner. Precht will mit dem „Bild“-Manager über Freiheit sprechen.