Hamburg. Richard David Precht wird ab September mit seiner neuen Sendung im ZDF zu sehen sein. In jeder Ausgabe will der Philosoph eine konkrete Frage zu einem Thema stellen und diese mit einem Gast aus Wirtschaft, Politik, Kultur oder Wissenschaft diskutieren.

Vom Fernsehen leben muss Richard David Precht nicht. "Mein Bekanntheitsgrad steht und fällt nicht mit dieser Sendung", sagt der Philosoph. Und doch hat ihn der Schritt gereizt, ein eigenes TV-Format zu übernehmen. Am kommenden Sonntag (2. September, 23.30 Uhr) ist es so weit: "Precht" startet im ZDF.

Weder über das beliebte Thema der Einschaltquote, noch über die Dauer seines Engagements für den Mainzer Sender möchte sich der 47-Jährige derzeit Gedanken machen. Precht möchte stattdessen philosophieren - über die Themen unserer Gesellschaft, für ein Massenpublikum. Klar ist für ihn zudem, dass er eine Karriere als TV-Moderator nicht anstrebt.

"Philosophisches Quartett" wurde im Mai abgesetzt

Die Idee, eine eigene Sendung zu übernehmen, sei ihm vor Jahren in seiner Küche von dem Regisseur und Journalist Gero von Boehm übermittelt worden. "Dabei ging es allerdings nicht um ein konkretes Angebot, sondern darum, grundsätzlich mal miteinander zu reden, ob so ein Format für mich interessant sein könnte. Ich musste also nur Ja sagen, dass es interessant für mich sein könnte", erinnert sich der Bestsellerautor ("Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?"). Es habe dann "einige Zeit gedauert, bis die Sendung gereift ist".

"Es war nicht geplant, eine andere Sendung zu ersetzen", sagt der ZDF-Redakteur für Kultur und Wissenschaft, Werner von Bergen, im dapd-Gespräch. Es sei viel mehr die Faszination gewesen, darüber nachzudenken, mit Precht zusammen etwas zu entwickeln.

Erst im Mai hatte sich mit dem "Philosophischen Quartett" das philosophische Format des Senders nach zehn Jahren vom Bildschirm verabschiedet. Als stillos hatten die Moderatoren des "Quartetts", Peter Sloterdijk und Rüdiger Safranski, in der Wochenzeitung "Die Zeit" die Absetzung bezeichnet. Auch glaubten sie nicht, dass "Precht" jüngere Zuschauer vor den Fernseher locken könne. "Seine Klientel gleicht eher der von André Rieu, den hören auch vor allem Damen über 50 in spätidealistischer Stimmung", sagte Sloterdijk. Das ZDF weist die Kritik zurück. Der Sender habe sich nichts vorzuwerfen.

"Der Denker mit Abstand zum akademischen Elfenbeinturm"

Nun freut sich das ZDF auf Precht - "den Philosophen, der wie kein Zweiter in Deutschland das Modell des bürgernahen, sichtbaren, engagierten Intellektuellen etabliert hat", zitiert der Leiter der Hauptredaktion Kultur und Wissenschaft, Peter Arens, aus der "Zeit". "Der Denker mit Abstand zum akademischen Elfenbeinturm" soll sich auf die Suche nach den großen Fragen unseres Lebens begeben. Philosophie, sagt Precht, sei "der Versuch, unser alltägliches Leben zu durchdringen und das, was wir oft für selbstverständlich halten, zu hinterfragen und auf eine neue Weise verständlich zu machen".

Folglich will der 47-Jährige in jeder Ausgabe eine konkrete Frage zu einem Thema stellen und diese mit jeweils einem Gast aus Wirtschaft, Politik, Kultur oder Wissenschaft diskutieren. Das Thema der ersten Ausgabe lautet "Skandal Schule - Macht lernen dumm". Als Gast hat Precht den Hirnforscher Gerald Hüther eingeladen - wie er ein scharfer Kritiker des Schul- und Bildungssystems.

Und Precht liegen noch mehr Themen auf dem Herzen: "Es gibt spannende Fragen, die sich mit Freiheit beschäftigen. Leben wir in einer Gesellschaft, die noch freiheitlicher werden sollte? Oder ist diese Freiheitlichkeit eine Bedrohung für die Gesellschaft?" Die Zukunft der repräsentativen Demokratie stehe im Augenblick in unvorstellbarem Ausmaß auf dem Spiel. "Gerade die jüngeren Generationen haben nicht mehr vor, ihre Stimme an jemand anderen abzugeben. Die Piraten sind ein Symptom dafür", sagt Precht.

"Eine schöne Möglichkeit, für das Publikum zu philosophieren"

Sein 45-minütiges Format sei "eine schöne Möglichkeit, für das Publikum zu philosophieren". Um bei ihm zuzuschauen, reiche eine Neugier, "eine intellektuelle Geschmeidigkeit, um sich darauf einzulassen". Bereits in seinen Büchern habe er die Philosophie für ein Massenpublikum geöffnet. Wie lange er sich auf das Abenteuer Fernsehen einlassen möchte, ist unklar: "Diese Frage beantworte ich erst, wenn ich die Sendung ein paar Mal gemacht habe."

Bergen zufolge ist es bei einer Sendung wie "Precht" wichtig, ob sie eine Aussage habe und wie sie sich in der Öffentlichkeit niederschlage. "Aber natürlich wollen wir, dass möglichst viele zuschauen. Wir wollen einen offenen Zugang zu den Themen, dass die Zuschauer mitgenommen werden – und das gewährleistet Herr Precht", sagt der Redakteur, der für 2012 drei weitere Folgen von "Precht" plant.

2013 soll der 47-Jährige sechs Mal im ZDF philosophieren. Wie immer seine Sendung beim Publikum ankommt, einen TV-Moderator Precht auf Dauer wird es nicht geben: "Ich könnte mir vorstellen, weiter in eine Talkshow zu gehen - als Gast. Aber es wird mit Sicherheit keine zweite Fernsehsendung mit mir geben." TV-Moderator sei nicht sein Beruf und solle es auch nicht werden. "Ich bleibe Philosoph und Autor", sagte Precht. Sein neues Buch erscheint 2013. (dapd)