Washington/Aurora. Es sollte ein unbeschwerter Kino-Abend werden, am Ende gab es Tote und Verletzte: Der 24-jährige James Holmes hat bei der Premiere des neuen „Batman“-Filmes “The Dark Knight Rises“ im US-Bundesstaat Colorado ein Blutbad angerichtet. Seine Motive liegen noch im Dunkeln.

Jenifer Seeger glaubte zuerst an einen Kostümscherz, wie er bei Kino-Premieren heute gang und gäbe ist. „Ein ganz in Schwarz gekleideter Mann mit Gasmaske, schusssicherer Weste, auffälliger Brille und einem Gewehr", berichtete die 23-Jährige mit zittriger Stimme dem Fernsehsender NBC, "kam plötzlich durch eine Hintertür ins Kino.“

Da war es bereits weit nach Mitternacht. Und Hunderte Fans der Helden-Saga „Batman“ hatten es sich mit Cola und Popcorn im „Century 16 Movie Theater“, einem Kino-Komplex in Aurora, einem Vorort von Denver im Bundesstaat Colorado, gemütlich gemacht.

Die neue Episode „The Dark Knight Rises“, Amerikas Kino-Ereignis dieses Sommers, feierte in der Nacht zum Freitag Vor-Premiere. Dass sie im falschesten Film ihres Lebens sitzen sollten, konnten die meist jungen Leute nicht ahnen. „Plötzlich zischte es, Rauch stieg auf, es roch nach Tränengas, dann fielen die ersten Schüsse“, beschrieb Seeger den Auftakt zu einer Tragödie, an deren Ende zwölf Tote und mindestens 38 Verletzte im Alter von drei Monaten bis 45 Jahren standen.

Kino-Besucher berichten: „Es war wie in einem Horror-Film“

Die Polizei hat das Kinogelände abgesperrt
Die Polizei hat das Kinogelände abgesperrt

Der Täter, James Holmes, ein 24-Jähriger, ehemaliger Neurochirurgie-Student der Universität von Colorado, der in der Nachbarschaft des Kinos wohnt, sagte nach Berichten anderer Besucher kein einziges Wort, als er ungefähr 15 Minuten nach Filmstart in Kinosaal 9 wahllos das Feuer eröffnete; ausgerüstet mit vier Waffen, darunter ein Schnellfeuergewehr vom Typ AK 47. Augenzeuge Corbin Dates, der in einem Nebensaal saß, dessen Wände von Querschlägern durchsiebt wurden: „Ich dachte zuerst, die Schüsse kommen aus den Lautsprechern. Als die ersten Zuschauer aufsprangen, wusste ich, dass etwas nicht stimmt.“

In den Minuten darauf kam es in dem beliebten Kinozentrum an der Alameda Avenue zu einer Massenpanik. „Nur raus, dachte ich“, erzählte der 19-jährige Zac den Reportern von CNN und berichtete von chaotischen Szenen. Einige Kinobesucher hätten sich zwischen den gepolsterten Sesselreihen verkrochen. Andere seien über sie hinweggetrampelt - „bei dem verzweifelten Versuch, ihr Leben zu retten“. Viele Menschen lagen blutend und schreiend am Boden. „Es war wie in einem Horror-Film.“

Tote bei Schießerei im Kino

Bei einer Schießerei in diesem Kino im US-Bundesstaat Colorado hat es zahlreiche Todesopfer gegeben.
Bei einer Schießerei in diesem Kino im US-Bundesstaat Colorado hat es zahlreiche Todesopfer gegeben. © AP
In einer Nachtvorstellung des neuen Batman-Films eröffnete ein Mann das Feuer.
In einer Nachtvorstellung des neuen Batman-Films eröffnete ein Mann das Feuer. © AP
Viele Menschen wollten direkt zum Start nach Mitternacht
Viele Menschen wollten direkt zum Start nach Mitternacht "The Dark Knight Rises" sehen. © AP
Zeugen beschreiben den Täter als groß und komplett schwarz gekleidet.
Zeugen beschreiben den Täter als groß und komplett schwarz gekleidet. © AP
Er soll eine Gasmaske und eine kugelsichere Weste getragen haben.
Er soll eine Gasmaske und eine kugelsichere Weste getragen haben. © AP
Die Polizei sperrte den Tatort ab.
Die Polizei sperrte den Tatort ab. © AP
Ein Polizist nimmt eine Zeugenaussage auf.
Ein Polizist nimmt eine Zeugenaussage auf. © AP
Daniel Oates, Polizeichef der Stadt Aurora bei Denver, bestätigte, dass ein Verdächtiger gefasst wurde.
Daniel Oates, Polizeichef der Stadt Aurora bei Denver, bestätigte, dass ein Verdächtiger gefasst wurde. © AP
Der Mann wurde in einem Auto auf der Rückseite des Kino-Gebäudes gefasst.
Der Mann wurde in einem Auto auf der Rückseite des Kino-Gebäudes gefasst. © AP
Er hatte bei seiner Verhaftung zwei Waffen bei sich.
Er hatte bei seiner Verhaftung zwei Waffen bei sich. © AP
Weil der Verhaftete auch von einer Bombe in seiner Wohnung berichtete, wurde das Gebäude, in dem sie liegt, abgesperrt.
Weil der Verhaftete auch von einer Bombe in seiner Wohnung berichtete, wurde das Gebäude, in dem sie liegt, abgesperrt. © AP
Ein Polizist sichert das Wohngelände ab.
Ein Polizist sichert das Wohngelände ab. © AP
An dem Einsatz sind Polizisten aus zahlreichenden umliegenden Orten beteiligt.
An dem Einsatz sind Polizisten aus zahlreichenden umliegenden Orten beteiligt. © AP
Sicherheitskräfte besprechen sich vor dem Kino.
Sicherheitskräfte besprechen sich vor dem Kino. © REUTERS
Einige der Opfer sind ins Kinderkrankenhaus von Aurora gebracht worden.
Einige der Opfer sind ins Kinderkrankenhaus von Aurora gebracht worden. © AP
Angehörige warten auf Zeugen der Schießerei, die in...
Angehörige warten auf Zeugen der Schießerei, die in... © AP
Aus der Luft ist zu sehen, wie Polizisten...
Aus der Luft ist zu sehen, wie Polizisten... © REUTERS
...das Auto des mutmaßlichen Täters untersuchen.
...das Auto des mutmaßlichen Täters untersuchen. © REUTERS
Am Boden liegt eine Gasmaske - wohl die, die der Todesschütze trug.
Am Boden liegt eine Gasmaske - wohl die, die der Todesschütze trug. © AP
Später wird das Auto abtransportiert.
Später wird das Auto abtransportiert. © AP
Chandler Brannon (25) gehört zu den Augenzeugen der Tat, auch...
Chandler Brannon (25) gehört zu den Augenzeugen der Tat, auch... © AP
...Isaiah Bow war dabei - und umarmt seine Mutter Shamecca Davis, nachdem er seine Aussage gemacht hat. Bow hatte das Kino schon verlassen und war...
...Isaiah Bow war dabei - und umarmt seine Mutter Shamecca Davis, nachdem er seine Aussage gemacht hat. Bow hatte das Kino schon verlassen und war... © AP
...noch einmal zurückgegangen, um seine Freundin zu finden.
...noch einmal zurückgegangen, um seine Freundin zu finden. © AP
Auch Tammi Stevens hat ihren Sohn wieder: Jacob Stevens war...
Auch Tammi Stevens hat ihren Sohn wieder: Jacob Stevens war... © AP
...im Kino, als die Schießerei begann. Und...
...im Kino, als die Schießerei begann. Und... © AP
...Judy Goos schließt ihre Tochter Emma in die Arme: Die 19-Jährige saß in der dritten Reihe des Kinos, als der mutmaßliche Täter das Feuer eröffnete, und half Verletzten der Schießerei.
...Judy Goos schließt ihre Tochter Emma in die Arme: Die 19-Jährige saß in der dritten Reihe des Kinos, als der mutmaßliche Täter das Feuer eröffnete, und half Verletzten der Schießerei. © AP
Der Tatort in dem Einkaufszentrum in...
Der Tatort in dem Einkaufszentrum in... © AFP
...Aurora bleibt abgesperrt. Die...
...Aurora bleibt abgesperrt. Die... © AFP
... Polizei untersuchte die Wohnung des mutmaßlichen Täters mit Videokameras: Der 24-Jährige hatte...
... Polizei untersuchte die Wohnung des mutmaßlichen Täters mit Videokameras: Der 24-Jährige hatte... © AP
...angedeutet, dass sie vermint sei.
...angedeutet, dass sie vermint sei. © AP
Die blutige Tat lässt die Einwohner fassungslos zurück. Am Nachmittag trafen sie sich...
Die blutige Tat lässt die Einwohner fassungslos zurück. Am Nachmittag trafen sie sich... © Reuters
...um gemeinsam der Opfer zu gedenken und zu trauern.
...um gemeinsam der Opfer zu gedenken und zu trauern. © Reuters
Die Mahnwache dauert bis in...
Die Mahnwache dauert bis in... © Reuters
...die Abendstunden. Auch nach Einbruch der Dunkelheit sind noch viele Trauerne versammelt.  Sie haben...
...die Abendstunden. Auch nach Einbruch der Dunkelheit sind noch viele Trauerne versammelt. Sie haben... © AFP
...Kerzen vor dem Kino aufgestellt und Schilder gemalt.
...Kerzen vor dem Kino aufgestellt und Schilder gemalt. © AFP
"Fort, aber nicht vergessen" steht auf diesem. © AFP
Erinnerung an
Erinnerung an "all die unschuldigen Seelen". © AFP
Die Trauernden beten gemeinsam und...
Die Trauernden beten gemeinsam und... © AFP
...hoffen, dass ihr Land in diesen schweren Tagen zusammenrückt. Dazu rief...
...hoffen, dass ihr Land in diesen schweren Tagen zusammenrückt. Dazu rief... © AFP
...US-Präsident Obama seine Landsleute auf.
...US-Präsident Obama seine Landsleute auf. © AFP
Am Washington Monument in der hauptstadt wehen die Fahnen auf Halbmast.
Am Washington Monument in der hauptstadt wehen die Fahnen auf Halbmast. © AP
Auch über dem Weißen Haus wurde die Flagge gesenkt.
Auch über dem Weißen Haus wurde die Flagge gesenkt. © AP
Reporter warten vor dem Haus von Robert und Arlene Holmes, den Eltern des....
Reporter warten vor dem Haus von Robert und Arlene Holmes, den Eltern des.... © AFP
Auch die Polizei zeigt an dem Haus Präsenz.
Auch die Polizei zeigt an dem Haus Präsenz. © REUTERS
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Im Kofferraum des Verhafteten wurde die Polizei fündig 

Vorläufige Bilanz: Zehn Menschen, darunter ein 9-jähriges Mädchen, eine in der Region bekannte Fernsehmoderatorin und Armee-Angehörige, starben noch vor den Leinwänden, zwei weitere Kinobesucher erlagen trotz notärztlicher Behandlung wenig später im Krankenhaus. Das jüngste Opfer, ein drei Monate altes Baby, dessen Eltern offenbar keinen Babysitter fanden, ist nach Angaben der Ärzte außer Lebensgefahr. Ein Krankenhaussprecher schloss eine höhere Zahl der Toten nicht aus, weil „mehrere Personen lebensgefährliche Verletzungen erlitten haben“.

Augenzeuge Jacob Stevens (18) wird von seiner Mutter Tammi abgeholt. In einer Schule hatte die Polizei alle Zeugen befragt.
Augenzeuge Jacob Stevens (18) wird von seiner Mutter Tammi abgeholt. In einer Schule hatte die Polizei alle Zeugen befragt.

Nach dem Amoklauf in dem Vergnügungszentrum verließ der Täter nach den Worten von Auroras Polizeichef Dan Coats in aller Seelenruhe das Kino. 250 Beamte, alarmiert durch Handy-Anrufe aus dem Kino, waren in kurzer Zeit am Ort des Geschehens. Auf dem Parkplatz nebenan ließ sich James Holmes von der Polizei an seinem Auto stehend anstandslos festnehmen. Im Kofferraum der weißen Limousine stellten die Fahnder eine weitere Schusswaffe und ein Messer sicher. Über Holmes’ Motive ist bislang nichts bekannt. Er schweigt.

Nach ersten Einschätzungen der Behörden handelt es sich um einen Alleintäter, der „sehr gut vorbereitet gewesen sein muss“. Das FBI schloss bereits am frühen Freitagsmorgen einen terroristischen Hintergrund aus.

Warner Brothers sagt PR-Aktionen für "Batman" ab

Präsident Barack Obama, zur Tatzeit auf Wahlkampfreise in Florida, wurde noch in der Nacht von seinem Sicherheitsberater John Brennan geweckt. In einem Beileidstelegramm rief der Präsident dazu auf, dass Amerika in diesem „Moment der Dunkelheit und Herausforderung wie eine amerikanische Familie zusammenkommen muss“.

Mitt Romney, Obamas republikanischer Kontrahent im Rennen um das Weiße Haus, zeigte sich „tief traurig“ über die „sinnlose Gewalt“. Warner Brothers, das Filmstudio, das den neuen „Batman“ produziert hat, kondolierte den Angehörigen der Toten. Und sagte Werbe-Termine für die am Freitag in Paris geplante Frankreich-Premiere des Films ab. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg appellierte an Obama und Romney, sie sollten endlich für schärfere Waffengesetze sorgen.

War Batman-Bösewicht "Bane" das Vorbild für den Täter? 

Spezialeinheiten der Polizei untersuchten bis zum Nachmittag die nahe gelegene Wohnung des Massenmörders. Er hatte in ersten Vernehmungen angedeutet, dass dort Sprengstoff und Bomben aufbewahrt sind. Die Beamten fanden ein Netz von Sprengfallen vor.

Die Maskierung und Verkleidung des Mannes lässt aus Sicht von Experten vielleicht darauf schließen, dass sich der Täter den Bösewicht-Charakter in dem Batman-Film namens „Bane“ (gespielt von Tom Hardy) zum Vorbild genommen haben könnte. „Die Filmfigur trägt wie der Täter eine auffällige Maske“, sagte ein Fahnder der „Denver Post“.

Der Schauplatz des Blutbades liegt nur 20 Meilen von der Kleinstadt Littleton entfernt. An der dortigen Columbine High School ereignete sich am 20. April 1999 eines der folgenschwersten Schulmassaker in Amerika. Zwei Teenager, 17 und 18 Jahre alt, ermordeten 12 Mitschüler und einen Lehrer und richteten sich am Ende selbst.

Debatte um Medienkonsum und Gewalt

Polizisten untersuchen die Wohnung des mutmaßlichen Täters auf Bomben
Polizisten untersuchen die Wohnung des mutmaßlichen Täters auf Bomben

Die Bluttat von Aurora hat die Debatte um den Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Gewaltanwendung neu entfacht, wie sie im Kino an der Tagesordnung ist. Psychologen erinnerten daran, dass Sarah Edmondson und Ben Darras mordend die Schlächtereien aus dem Oliver Stone-Film "Natural Born Killers" nachahmten. Bevor sie im wirklichen Leben zur Waffe griffen, sahen sie sich Dutzende Male das Gewaltepos an. Der Täter des deutschen Schulmassakers von Winnenden (März 2009) trug einen Kampfanzug wie die Killer in Gus van Sants Film „Elephant".

War auch James Holmes ein Nachahmungstäter, der zwischen Wirklichkeit und Fiktion nicht mehr zu unterscheiden wusste? Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Aber die Maskierung und Verkleidung des Mannes lasse auf eine „übersteigerte Identifikation“ schließen, sagten Wissenschaftler der Georgetown-Universität in Washington.

„Die eigene Identität wird ausgelöscht und durch eine andere ersetzt, die Identität des medialen Vorbilds: Man schlüpft nach und in eine Rolle und kann am Ende nicht mehr hinaus.“