Köln. . Der kölsche Kabarettist Jürgen Becker feiert Dienstjubiläum. 20 Jahre lang hat er es an der Seite des Kollegen Wilfried Schmickler bei den „Mitternachtsspitzen“ ausgehalten. Inspiriert wurde Becker vom „Blauen Bock“.

Jürgen Becker fetzt sich seit 20 Jahren mit seinem Kollegen Wilfried Schmickler bei den „Mitternachtsspitzen“ des WDR (Samstag, 21.40 Uhr).

Radiohörer kennen Sie aus der „Frühstückspause“ bei WDR 2. Gibt’s da tatsächlich Brötchen?

Jürgen Becker: Schon. Aber so richtig knusprige, leckere Brötchen dürfen wir nicht nehmen.

Warum?

Becker: Dann sind wir schlecht zu verstehen. Am Anfang haben sich die Zuhörer öfter darüber beschwert. Deshalb bleibt’s beim trockenen Croissant.

Sie haben den Mund zu voll genommen...

Becker: ...das ist mir schon öfter im Leben passiert...

...aber Sie leben ganz gut davon.

Die große Koali...äh...Kollegialität

Becker: Das stimmt.

...zum Beispiel bei den „Mitternachtsspitzen“. Die machen Sie jetzt mit Wilfried Schmickler seit 20 Jahren. Anlass zur Freude oder zur stillen Melancholie?

Becker: Ein Anlass zur Verwunderung. Wir wundern uns darüber, dass wir das schon so lange machen dürfen. Am Anfang war nur von einer Sendung die Rede. Wir freuen uns über die große Freiheit, die uns WDR gewährt. So sind wir nie der Versuchung erlegen ins Erste zu wechseln.

Nun hat das ZDF eine sehr respektable Comedy-Offensive gestartet. Juckt’s in den Fingern, nach Mainz zu gehen?

Becker: Nö. Aber wir sind mit den Kollegen freundschaftlich verbunden. Dreimal waren Wilfried und ich jeweils bei „Neues aus der Anstalt“, Urban (Priol) und Frank-Markus (Barwasser) kommen schon lange zu uns. Das ist eine große Koali...äh...große Kollegialität.

Ihnen lag große Koalition auf der Zunge. Ist das für Kabarettisten kein Bäh-Wort?

Becker: Das war bisher so. Aber Schleswig-Holstein zeigt, dass es jetzt auch andere Möglichkeiten gibt.

Der Fluch der Karibik

Deutet sich nicht eher, im Hinblick auf die Piraten, ein Fluch der Karibik an?

Becker: Die Piraten werden uns gut tun. Ab und zu muss in der Demokratie ein neues Modell eingeführt werden. Rechtspopulisten spielen ja, Gott sei Dank, bundesweit keine Rolle. Die Piraten sind eine Protestpartei, von der ich sage: Da haben wir noch was von.

Haben Sie als Künstler keine Befürchtung, enteignet zu werden?

Becker: Doch. Bei den Piraten sind viele gegen geistiges Eigentum. Geschichte wiederholt sich ja immer nur als Farce. Die Piraten sind die neuen Kommunisten.

Falls die Piraten an die Macht kommen, hätte das für Sie den Nachteil, dass Sie nicht im Politbüro säßen.

Becker: Ich kann mich ja einklinken bei Liquid Feedback. Oder besser real: Das Bier hinterher.

Vorbild: Reno Nonsens

Wilfried Schmickler ist real. Von dem werden Sie in den „Mitternachtsspitzen“ verbal immer verhauen. Leiden Sie gern?

Becker: Klar. Das war doch meine Idee. Als der WDR mir die Sendung angeboten hat, wollte ich, dass Wilfried mitmacht. Ich habe dabei an den „Blauen Bock“ gedacht.

Was hat Wilfried Schmickler mit dem „Blauen Bock“ zu tun?

Becker: Damals gab es dort eine Figur namens Reno Nonsens. Den fand ich gut. Reno Nonsens hat immer über den Moderator gemeckert. Das Grundmodell wollte ich übernehmen. Ich wollte einen Gegenpart, der die ganze Sendung zu Klump haut.

Heinz Schenk, Witzischkeit und Pilsbier

Schenk war einer der heimlichen Kabarettisten im Land, mit seinem Wahlspruch „Witzischkeit kennt keine Grenzen“.

Becker: Ich fand den immer sympathisch. Heinz Schenk hat mir in der Kindheit als Fernsehmann sehr imponiert, weil ich spürte, dass er seine Sendung mit viel Liebe gebaut hat. Deshalb habe ich vom „Blauen Bock“ sofort das Mobiliar übernommen. Die „Mitternachtsspitzen“ hatten früher Rundtische mit Sekt. Ich wollte diesen bourgeoisen Kram nicht. Ich wollte es proletarisch einfach mit Bierzeltgarnituren und rappelvoll.

Sind Sie der einzige Äbbelwoi-Trinker in Köln?

Becker: Nee, nee, ich halte mich lieber an Bier.

Sie sagen Bier, nicht Kölsch. Ist Pils für Sie kein Problem?

Becker: Ich nehme immer die Getränke aus der Region. Ich bin ja öfter in Westfalen und im Ruhrgebiet unterwegs.

Qualitäts-Ruhri Uwe Lyko

Ist das die Brücke zu Uwe Lyko?

Becker: Ich finde den klasse. Ich habe Uwe Lyko mal auf der Bühne gesehen, und ich habe ihm gesagt: Das, was Du da gemacht hast, kannst Du doch auch bei uns machen. Uwe Lyko macht eher die privaten Geschichten. Das passt zu uns, auch das Private ist politisch. Er ist die Stimme des Ruhrgebietes, und er hält sein Qualitätniveau. Chapeaux!

Kabarett und Comedy gelten als natürliche Feinde. Ist das ein Generationen-Problem?

Becker: Das hat eher was Evolutionäres. Als Jugendlicher habe, habe ich Otto Waalkes bewundert. Der hatte einen genialen Gag-Schreiber: Robert Gernhardt. Jugendliche sehen gern Comedy, das war bei mir auch die Einstiegsdroge. Später habe ich die Kabarettisten entdeckt. Und das ist in der heutigen Generation ähnlich. Zu uns kommen auch immer wieder junge Leute - wenn sie schon älter sind.

Haben die amerikanischen SitComs mit ihrem Prinzip „Jeder Schuss ein Treffer“ unseren Humor verändert?

Becker: Das glaube ich schon und das ist ja auch nicht alles Schund. Ich sehe beispielsweise gern „King Of Queens“. Erste Sahne, wie die Figuren charakterisiert sind und wie die Dialoge funktionieren. Das amerikanische Fernsehen hat die europäischen Autoren sehr beeinflusst, und keineswegs nur negativ. Ich sage ja auch immer: Kabarett schön und gut, aber man muss auch mal ‘n Witz machen!