München.. Der Schauspieler und Kabarettist Gerhard Polt wird am Montag 70 Jahre alt. Seinen größten Erfolg hatte er ausgerechnet, als er während einer Sendung nichts sagte. Gratulieren zu diesem Geburtstag dürfen wir uns selbst.
Den Kabarettistenhimmel verdiente er sich mit Mai Ling und Nikolausi-Osterhasi, dem Main-Donau-Klassiker im „Scheibenwischer“ und im Schulterschluss mit der Biermösl Blosn, mit Tausenden fulminanter Soloauftritte und Kinoknüllern wie „Kehraus“ und „Man spricht deutsch“.
In die VIP-Lounge des Kabarettistenhimmels aber brachten ihn jene endlosen fünf Minuten im Jahr 1981, in denen er gar nichts sagte. Auf der Bühne des Mainzer Unterhauses stand, mit den langen Armen schlenkerte, breit grinste und sagte: „I sog nix. Ha!“ Und dann nichts sagte, außer, dass er hier und heute nichts sagen werde. Vor Publikum und laufender Kamera und zur besten Sendezeit. Da hatten die öffentlich-rechtlichen Sittenwächter in seinem Programm rumpfuschen wollen und ihn bei Zuwiderhandlung mit einer Konventionalstrafe bedroht. Es wurde die beste Satire auf die Satirefreiheit in der deutschen Fernseh- und Kabarettgeschichte. Ha!
Gerhard Polt, der studierte Dolmetscher für nordische Sprachen und am Schliersee lebende Ober-Oberbayer, ist eigentlich ein scheuer und freundlicher Mann, ein Feingeist im Körper eines Grobians. Aber er vollbringt seit über 40 Jahren auf der Bühne große Kleinkunstwunder, indem er zeigt, dass in jedem ein Anderer steckt, und es, wenn man genau hinguckt, überall zugeht „fast wia im richtigen Leben“. Er guckt so genau hin, dass es fast wehtut beim Lachen.
Wenn es falsch wird im Richtigen
Am großartigsten sind die Momente, wenn es langsam falsch wird im Richtigen und ungemütlich im Urgemütlichen: wenn man spürt, wie’s in den Figuren dies menschenfreundlichsten aller Grantler brodelt, wie sich tief drinnen die Seelenlava staut und raus will, aber es nicht kann; weil all die Wut, die Unzufriedenheit und die Verzweiflung an sich selber zu Worten werden und aus dem Mund rausmüssen. Und es gibt die richtigen Worte nicht, und der Mund ist so klein und der Druck ist so groß. Und dann platzt er plötzlich doch raus, der Neider, der Spießer, der kleine Rassist, und all unser Gelächter kann ihn nicht löschen.
Große Momente der Kunst
Das sind die ganz großen Momente der Kunst des Gerhard Polt: wenn sich Glucksen und Grausen vereinen, wenn sich Tracht und Niedertracht, das Hundsgemeine und Hundeelende zusammentun und aus Menschen liebenswert komische Monster werden, die uns ähnlich sehen. Umso ähnlicher, je exotischer er sie darstellt. Der Grimme-, Lubitsch-, Jean-Paul- und Karl Valentin-Preisträger lässt die Kleingeister im Gelächter spuken. Und sie spuken ja nicht nur in der Provinz unterm weiß-blauen Himmelszelt herum, sondern überall. Polt erkennt diese Gemütsteufel, er stellt sie dar und bloß, aber er schickt sie nicht zur Hölle. Weil sie da schon sind. Und weil er sie versteht.
Wir alle dürfen uns am Montag zu Gerhard Polts 70. Geburtstag gratulieren. Ha!