Sandwich. Am 12. Mai vor 250 Jahren hat sich der Graf von Sandwich Roastbeef zwischen zwei warme Brotscheiben legen lassen. Es war die Geburt eines Klassikers für zwischendurch. Heute feiert ein ganzes Dorf die Erfindung – das Dorf heißt Sandwich.

Happy Birthday, leckeres Butterbrot! 250 Jahre ist es her, dass sich der vielbeschäftigte Graf von Sandwich sein Roastbeef zwischen warmen Brotscheiben servieren ließ. Seitdem haben die aristokratischen Häppchen die Welt erobert. Das kleine Dorf Sandwich, das der dekorierten Stulle seinen Namen gab, trägt seinen Ruhm mit einer Prise Selbstironie und einer großen Party am Wochenende.

Mit links lässt Orlando Montagu das Handy ins Jackett gleiten, mit rechts hebt er den heißen Deckel seines Brötchens an. „Ich weiß nicht, wie Sie Ihr Schinken-Tomaten-Brot bevorzugen“, sagt der Aristokrat, „aber für mich gehört da Ketchup drauf.“ Wir sitzen mit dem Junior-Graf von Sandwich im „Earl von Sandwich-Shop“ und essen ein Sandwich. Also her mit dem Ketchup! Denn wenn Montagu das so macht, dann ist es quasi kulinarisches Gesetz.

Sein Vorfahr John hatte vor 250 Jahren, genau wie Orlando heute, beide Hände voll zu tun. Und mit einem Klappbrot konnte er weiter arbeiten oder Kartenspielen – und zwar ohne fettige Finger. Seine noblen Zeitgenossen fanden die Idee so genial, dass sie ihr Essen genauso anrichten ließen „wie Sandwich“. So kam das belegte Brot zu seinem Namen und seiner Karriere – der Graf hatte den simplen Bauern-Snack zum aristokratischen Fast Food geadelt.

Am häufigsten mit Hühnchen belegt

Modernen Arbeitnehmern, die die Mittagspause mampfend am Rechner verbringen, kommt der praktische Montagu-Trick noch immer gelegen: Drei Milliarden Schnittchen haben die Briten letztes Jahr gekauft – am häufigsten belegt mit Hühnchen, dicht gefolgt vom Klassiker „Eier und Kresse“. Aus der Stulle, ob heiß oder kalt, ist eine ganze Industrie gewachsen, die mittlerweile mehr Briten beschäftigt als die Landwirtschaft.

Auch der Sandwich-Laden der Grafen-Familie in der Londoner City brummt. Für gestresste Büro-Sklaven hat Montagu ein Sandwich-Taxi eingerichtet, das den „Original 1762“ mit Roastbeef und Meerrettich, verpackt in Goldfolie, an den Schreibtisch liefert. Von der Idee wäre Sandwich-Urahn John Montagu heute sicher begeistert. Allerdings, so räumt der Junior-Earl leise seufzend ein, ist der Nachname „Sandwich“ im Belegte-Brote-Geschäft des Jahres 2012 nicht nur Türöffner: „Wenn man so heißt, dann erwarten die Kunden das Allerbeste.“

Party für ein Klappbrot

Den gewöhnlichen Sandwichianern hingegen ist die Last des Namens fremd. Das kleine Dorf in Kent plant für den 12. und 13. Mai, wenn das Klappbrot 250 Jahre alt wird, eine riesige Party. Einer der Höhepunkte wird die Kür des „Sandwiches von Sandwich“ sein, eine Gourmet-Kreation, die dem kulinarischen Weltruhm des Sprengels gerecht werden soll. Fantasie ist Trumpf, denn es konkurrieren auch die Dorf-Gastronomen um den Titel. Tyrone Harewood vom Pub „The Fleur“ etwa wartet mit einer Chili-Sauce zu seinem Sandwich auf. Zum Jubiläum muss noch etwas Neues her.

Dass das Sandwich trotz seines hohen Alters unsterblich ist, bereitet Party-Organisatorin Mandy Wilkins größtes Vergnügen. Denn wer Appetit mitbringt, kann sich in dem Ort, ja, im ganzen Land, noch immer durch die verschiedenen Epochen der Kultspeise essen. Im Tee-Salon der „Secret Gardens“ werden statt der rustikalen, gebackenen Montagu-Variante kalte Finger-Sandwiches auf Etageren gereicht. „So kennen viele das typisch englische Sandwich“, sagt Wilkins, „aber es ist nur eine und zwar die viktorianische Variante.“ Ob Schinken und Senf, Käse und Gurke oder Eier mit Kresse – als Kneipenklassiker hat das Sandwich überdauert, bis Fast-Food-Stuben es in den Achtzigern als Lunch entdeckten. Seitdem wird das Klappbrot aus Kent rund um den Globus weiterentwickelt.