Moskau/Essen. Die Russen entdecken knapp 4000 Meter unter dem Eis der Antarktis einen See und hoffen, neues Leben zu entdecken. Es wird vermutet, dass sich in dem See bisher völlig unbekannte Bakterien erhalten haben. Lebensformen, die ähnlich oder gleich auch im Eis des Jupitermondes oder auf dem Mars existieren könnten.

„Die Pinguine klatschen Beifall“, behauptet die russische Tageszeitung Trud. Moskaus Medien feiern ihre Antarktisforscher, denen es gelungen ist, mit einer Tiefenbohrung durch eine 3769,3 Meter dicke Eisschicht den See Wostok zu erreichen, der vermutlich Millionen Jahre isoliert war. „Wissenschaftler vergleichen das Ereignis mit der Mondlandung“, schreibt die Agentur Rosbalt.

Für ein wenig übertrieben hält Malte Thoma, Wissenschaftler am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, den Vergleich. Klar sei aber, die Russen seien bei ihrer drei Jahrzehnte währenden Expedition in Bereiche dieser Erde vorgedrungen, in die niemand vor ihnen kam. „Sie haben als erste einen sogenannten subglazialen, unter dem Eis liegenden, See angebohrt“, so Thoma.

Warum das erstrebenswert ist? Noch weiß es niemand genau. Sicher scheint aber eines: Die Russen suchen am Südpol zur Abwechslung einmal nicht nach Gas noch Öl. Nach eigenen Aussagen suchen sie nach Erkenntnissen: über die Veränderungen des Klimas über Millionen Jahre hinweg. Außerdem wird vermutet, dass sich in dem See bisher völlig unbekannte Bakterien erhalten haben. „Außerirdische Lebensformen“, erläutert Christoph von Lieven von Greenpeace. Kein mutierter Alf als Tiefseemonster. Eher Lebensformen, die ähnlich oder gleich auch im Eis des Jupitermondes oder auf dem Mars existieren könnten.

Eine Bedrohung für diese neu entdeckte alte Welt

Gerade hier setzt aber auch die Kritik an dem Unternehmen an. Wegen des Einsatzes von Schmierstoffen bei der Bohrung befürchten Wissenschaftler eine Bedrohung dieser neu entdeckten alten Welt. Das Bohrteam könnte das einzigartige Ökosystem beim ersten Kontakt kontaminieren. Erste Wasserproben sollen im kommenden Dezember genommen werden und anschließend in Sankt Petersburg untersucht werden.

„Solche Forschungen lassen sich weder sofort, noch in zehn Jahren in Gewinn ummünzen“, sagt Waleri Lukin, der Leiter der Bohrexpedition gegenüber der russischen Agentur Trud. Eine erste sichere Erkenntnis teilt Lukin aber der Öffentlichkeit mit: Das Eis über der Seeoberfläche soll nach Aussage der Wissenschaftler extrem sauber sein. „Der Treibhauseffekt ist also doch durch Menschen verschuldet“, folgert die Zeitung Moskowski Komsomolez schon jetzt.

Wettlauf zum See

Lukin und sein Team haben darüber hinaus einen sportlichen Sieg errungen. Wecken Erinnerungen an den alten Wettlauf zum Südpol zwischen Roald Amundsen und Robert Falcon Scott 1911. Denn die Russen haben am Wostoksee ein internationales Rennen gewonnen. Sie haben die Engländer geschlagen, die ebenfalls in der Antarktis versuchen, einem untereisigen See anzubohren. „Sie werden im Dezember durchdringen“, berichtet Thoma. „Mit einem Heißwasserbohrer, der nahezu steril ist und keine Gefahr für das Ökosystem darstellt.“

Während des jetzt folgenden antarktischen Winters haben alle Wissenschaftler die eisige Region verlassen. Ob die Pinguine die Bohrlöcher weiter beklatschen, bleibt ihr Geheimnis.

Verschwörungstheorie um geheime Nazi-Basis

Geheimnisvolle Verschwörungstheorien hingegen ranken sich bereits um den Wostok-See. Laut RIA Nowosti sollen die Nazis dort während des 2. Weltkrieges eine geheime Basis eingerichtet haben. RIA Nowosti zitiert Großadmiral Karl Dönitz: „Die deutsche Unterseeflotte ist stolz, dass sie eine uneinnehmbare Festung für den Führer am anderen Ende der Welt geschaffen hat.“ Der Agentur zufolge hat das deutsche U-Boot 530 noch Monate nach der Kapitulation aus Kiel kommend den Südpol erreicht. Dort hätte die Mannschaft eine Höhle ins Eis gegraben und mehrere Kisten mit Relikten des Dritten Reiches versteckt, darunter auch Hitlers geheime Aufzeichnungen.

Doch damit nicht genug: Es gebe Gerüchte, das U-Boot U-977 habe die sterblichen Überreste Adolf Hitlers und Eva Brauns in die Antarktis geschafft. Aus ihrer DNS wollten die Nazis später angeblich ein neues Führerpaar klonen. Historiker verweisen solche Geschichten allerdings ins Reich absurder Vorstellungen.