Hamburg. . Nach der Methadon-Überdosis eines Pflegekindes (11) hat die Hamburger Sozialbehörde erste Konsequenzen gezogen. Pflegeeltern müssen künftig ein Gesundheitszeugnis vorlegen, um Suchterkrankungen auszuschließen. Die Staatsanwaltschaft prüft rechtliche Schritte gegen das Jugendamt.
Die Hamburger Sozialbehörde hat erste Konsequenzen aus dem Tod der elfjährigen Chantal gezogen. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) habe mit sofortiger Wirkung neue Regelungen für die Vermittlung von minderjährigen Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien angeordnet, teilte die Behörde am Montag mit. Indes prüft die Hamburger Staatsanwaltschaft rechtliche Schritte gegen das zuständige Jugendamt und den externen Träger der freien Jugendhilfe, den Verbund sozialtherapeutischer Einrichtungen (VSE).
Chantal war am 16. Januar nach der Einnahme des Heroin-Ersatzstoffes Methadon gestorben. Die Pflegeeltern nehmen seit Jahren an einem Methadon-Programm teil. Gegen sie und den leiblichen Vater des Mädchens besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung.
Bevor die zuständigen Bezirke eine geeignete Pflegefamilie auswählen können, müssen angehende Pflegeeltern und alle Hausangehörigen künftig nicht nur ein Führungszeugnis, sondern auch ein Gesundheitszeugnis vorlegen. Damit wollen die Behörden Suchterkrankungen und andere relevante Krankheiten zweifelsfrei ausschließen. „Mit diesen Maßnahmen möchte ich zunächst sicherstellen, dass sich der Tod eines Kindes in einer Hamburger Pflegefamilie nicht wiederholt“, sagte Scheele.
1300 Hamburger Pflegefamilien werden überprüft
Scheele forderte zudem die Jugendämter über die Bezirke auf, alle 1300 Hamburger Pflegefamilien und deren Hausangehörige bis zum 15. Februar genau zu überprüfen. Dabei soll insbesondere darauf geachtet werden, ob Hinweise auf Suchterkrankungen oder Straftaten vorliegen.
Seit der Fall der elfjährigen Chantal bekannt geworden war, wurde die Kritik an den zuständigen Einrichtungen der Jugendhilfe immer lauter. Mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft rechtliche Schritte gegen das zuständige Jugendamt und den externen Träger der freien Jugendhilfe, den VSE. „Wir führen Vorermittlungen durch, um zu prüfen, ob genügend Erkenntnisse für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegen“, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Der Vorwurf gegen die Institutionen könne dann auf Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht lauten.
Nach Angaben der „Bild“-Zeitung (Montagausgabe) hat der freie Träger VSE dem Jugendamt die Pflegefamilie ausdrücklich empfohlen. In einem Schreiben vom September 2008, das dem Blatt vorliegt, bezeichnete eine Sozialpädagogin die drogenabhängigen Pflegeeltern als „sehr verantwortungsbewusst und reflektiert“. Die Eltern würden „alles in ihrer Macht stehende tun, um ihre Pflegekinder zu fördern und zu unterstützen“, hieß es weiter.
CDU fordert Sonderermittler
Unterdessen hat die Hamburger CDU-Fraktion die Einsetzung eines unabhängigen Sonderermittlers der Sozialbehörde gefordert. Der verantwortliche Bezirksamtsleiter Markus Schreiber müsse von den Untersuchungen entbunden werden, hieß es aus der Fraktion. Ferner müsse der SPD-geführte Senat das Jugendamt Hamburg-Mitte direkt Sozialsenator Scheele und seiner Behörde unterstellen. Am Dienstag tagt der Familienausschuss der Bürgerschaft mit Senator Scheele zum Fall Chantal.
Für Freitag, 3. Februar, haben Mitglieder einer öffentlichen Gruppe des sozialen Netzwerks Facebook zu einem Schweigemarsch zum Gedenken für die Elfjährige aufgerufen. Dieser soll durch den Stadtteil Wilhelmsburg führen, wo Chantal gelebt hatte. Bis Montagnachmittag hatten 214 Menschen ihre Teilnahme angekündigt. (dapd)