Eslohe/Plettenberg. Untote im Computer-Orbit: Wer im realen Leben stirbt, verschwindet damit nicht gleichzeitig aus dem Internet. In sozialen Netzwerken bleiben die Profile bestehen. Auch die der beiden Jugendlichen, die sich in Eslohe selbst angezündet haben. Was Angehörige tun können.

Das Internet - eigentlich der digitale Tummelplatz fürlebensfrohe Menschen, die miteinander kommunizieren, sich informieren oder unterhalten. Eine parallele Online-Welt, die die Menschen Tag für Tag begleitet. Bis zum Tod - und darüber hinaus.

Denn: Wer im realen Leben stirbt, verschwindet nicht gleichzeitig aus dem weltweiten Netz. Im Geflecht der Social Networks bleiben die Media-Profile existent: alle Konten, Fotos, Videos, Dokumente, Freunde, Verwandte. Nichts löscht sich von selbst. Nichts löst sich automatisch auf. Asche zu Asche war gestern. Daten bleiben Daten ist heute.

Kathrin B. aus Olpe jagte es einen Schauer über den Rücken, als sie bei der Einladung zu einem Klassentreffen auf das Profil eines ehemaligen Mitschülers stieß, der vor rund einem Jahr tödlich verunglückt war. Bei Facebook schwärmte der junge Mann noch von seinen Motorradausflügen.

Nutzerprofile können in Gedächtnisseiten umgewandelt werden

Oder: Eine 13-jährige ­Schülerin und ihr 16-jähriger Bekannter hatten sich im Mai vergangenen Jahres im ­sauerländischen Eslohe mit Benzin übergossen und angezündet. Obwohl Traueranzeigen zu ihrem Tod und Seiten voller Anteilnahme im Internet vielfach zu finden sind, existieren ihre Profile noch bei mehreren elektronischen Communitys.

Die Sozialen Netzwerke haben die Problematik erkannt: Lebende werden mit dem natürlichen Zeitenlauf - von den Internetforen völlig unbemerkt - zu Toten.

Um der Tatsache vorzubeugen, dass sich ihre quicklebendigen Kommunikationsplattformen in den kommenden 50 Jahren in entseelte Leichenschauhäuser verwandeln, bieten viele Netzwerke die Möglichkeit, Nutzerprofile in Gedächtnisseiten umzuwandeln. Facebook nennt sie „memorialized profiles“, in denen die Hinterbliebenen ihre Erinnerungen bewahren und sich gegenseitig austauschen können. Der Vorteil für die Netzwerkbetreiber: Obwohl im Laufe der Zeit immer mehr Nutzer sterben werden, nimmt die Zahl der Community-Mitglieder nicht ab. Untote im Computer-Orbit. Ian Fleming hat es schon bei James Bond erkannt: Du lebst nur zweimal.

„Portal für die digitale Unsterblichkeit“

Trauer in Eslohe: Im Mai hatten sich zwei Jugendliche dort selbst angezündet. Foto:Joachim Kleine-Büning/WAZ Fotopool
Trauer in Eslohe: Im Mai hatten sich zwei Jugendliche dort selbst angezündet. Foto:Joachim Kleine-Büning/WAZ Fotopool

Wie aber sollen Angehörige verfahren, die sich mit dem Internet nicht auskennen? Für sie ist es schwer, das Profil eines Toten umzuwandeln. Sie brauchen die Unterstützung von Network-Kundigen, um bei Twitter, Gmail oder Facebook über die Suchfunktion „gestorben“ oder „dead“ weitere Anleitungen zu finden, mit denen die vorhandenen Daten zu löschen oder zu ändern sind. Bei StudiVZ müssen sich die Hinterbliebenen direkt an das Unternehmen wenden. Doch es wird nur gehandelt, wenn die Sterbeurkunde vorliegt.

Wer es beständiger wünscht, kann im Internet zu den Memorial-Seiten greifen. Da gibt es zum Beispiel unter www.doolia.de Verstorbene aus Gevelsberg, Hagen, Plettenberg, Soest und Werl, die das Parallel-Leben im Netz fortführen.

Anders sieht es unter www.stayalive.com aus. Auf diesem „Portal für die digitale Unsterblichkeit“ sind Freunde und Verwandte der Toten zum Handeln aufgefordert. Auf dieser Plattform können sie für ihre Verstorbenen - und alle, die es interessiert - virtuelle Gedenkstätten individuell ­gestalten. Ob Grabstein oder ­roter Porsche, ob Kranz oder Fußball. Alles ist möglich. Wer will, kann zusätzlich Fotos, ­Videos, Musik, die Vita, den Stammbaum oder sogar Lieblingsrezepte hochladen.

Leicht kitschig

Leicht kitschig geht es beim Online-Friedhof www.strassederbesten.de zu. Neben jüdischen, christlichen und muslimischen Begräbnisstätten gibt es bei diesem Anbieter auch das „Feld der Ewigkeit“, die „Halle der Seelen“ und den „Prominenten-Friedhof“. Hier ist der ehemalige Apple-Chef Steve Jobs zwei Mal, Loki Schmidt, die Gattin des Ex-Bundeskanzlers, drei Mal und der am 24. Dezember 2011 gestorbene Johannes Heesters sogar vier Mal zu finden. Der King of Pop, Michael Jackson, hat aber auch im Netz die Nase vorn. Er ist auf dem virtuellen Bestattungsareal gleich 14 Mal mit einem Grab vertreten.