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Der Gang zum Friedhof ist gar nicht mehr unbedingt nötig. Mittlerweile kann man auch daheim vor dem Rechner der Toten gedenken. Immer mehr Trauerportale laden dazu ein.
Ein Mausklick, und schon brennt, passend zum Totensonntag, die Erinnerungskerze. Immer mehr Trauerportale laden zum Totengedenken ins Internet. Gerade erst hat Ex-Focus-Chefredakteur Helmut Markwort das neueste Portal dieser Art gestartet. Hinter „Stayalive.de“ verbirgt sich eine Art Facebook für Tote. Hier soll der Nutzer noch zu Lebzeiten ein Profil anlegen und festlegen, was in Erinnerung bleiben soll. Mit seinem Tod wird es dann für Familie und Freunde freigegeben, auf Wunsch mit Foto und Anschrift der realen Grabstätte.
Aber: Ersetzt ein Klick auf dem virtuellen Friedhof den Gang zum realen Friedhof? Der Psychologe und Trauerexperte Jorgos Canacakis aus Witten ist skeptisch. Er sieht in den Internet-Angeboten allenfalls eine Ergänzung, „bevor man gar nicht trauert“. Allerdings sollte Trauer und Gedenken alle Sinne umfassen. „Wenn ich auf einen Monitor schaue und vielleicht noch etwas schreibe, spreche ich aber nicht alle Sinne an.“ Es sei viel wichtiger, ein Foto in den Händen zu haben als eines hochzuladen. „Außerdem muss der Mensch seine Emotionen zeigen, sie mit anderen teilen. Im stillen Kämmerlein geht das nicht“.
Todesanzeigen im Netz
Canacakis geht sogar noch weiter. Wenn Trauer nicht gesehen und geteilt werde sei sie umsonst: „Dann bleibe ich allein, und ein Teil meiner emotionalen Kompetenzen verkümmert.
Das Portal Trauer.de, an dem auch die WAZ-Mediengruppe beteiligt ist, setzt auf die klassischen Todesanzeigen. Die werden aus verschiedenen Zeitungen automatisch ins Internet gestellt, wenn kein Widerspruch eingelegt wird. Dort können Kerzen entzündet, Fotos hochgeladen oder Erinnerungen aufgeschrieben werden. 600 000 Anzeigen sind zusammengekommen. „Bei mehr als der Hälfte davon nutzen Angehörige oder Freunde die Zusatzfunktionen, behauptet Geschäftsführer Kai Nikolaizig.
Hinter der Adresse „trauernetz.de“ verbirgt sich dagegen unter anderem die evangelische Kirche im Rheinland. Die bietet keinen virtuellen Friedhof, stattdessen steht hier die Trauerbegleitung im Vordergrund. „Wir versuchen immer eine Vernetzung in die reale Welt zu erreichen“, betont Maike Roeber, die Internetbeauftragte der evangelischen Kirche im Rheinland. Daher finden Hinterbliebene hier Adressen und Beratungsangebote aber Texte oder Musik, die helfen sollen, die Trauer zu verarbeiten.