Berlin. . Ein Drittel der Opfer von Zwangsverheiratungen war jünger als 17 Jahre alt. Eigentlich ist Zwangsheirat seit diesem Jahr in Deutschland verboten. Dennoch berichten schutz- und Beratungseinrichtungen laut einer Studie von 3443 Fällen.
Die Bundesregierung will Schulen und muslimische Einrichtungen stärker einbeziehen, um junge Frauen und Männer vor einer Zwangsverheiratung zu schützen. Vor allem sehr junge Frauen, die häufig noch zur Schule gingen, seien davon bedroht, gegen ihren Willen und zum Teil auch mit physischer Gewalt in eine Ehe gezwungen zu werden, sagte Familienministerin Kristina Schröder am Mittwoch bei der Vorstellung einer Studie zum Thema.
Rund 830 Schutz- und Beratungseinrichtungen beteiligten sich 2008 an der Studie. Sie berichteten von 3443 Fällen von Zwangsverheiratung. Die große Mehrheit waren Frauen, aber auch einige Männer suchten Rat und Hilfe.
30 Prozent der Mädchen unter 17 Jahren wurden zwangsverheiratet
Rund 60 Prozent der jungen Rat suchenden Frauen waren von einer Zwangsehe mit einem ihnen häufig völlig Fremden bedroht. Die meisten waren jünger als 22 Jahre, 30 Prozent sogar jünger als 17. Älter und bereits verheiratet waren 40 Prozent. In Deutschland ist Zwangsverheiratung verboten. Seit diesem Jahr gibt es einen entsprechenden Straftatbestand.
44 Prozent der Betroffenen und Bedrohten waren türkischer Abstammung. Fast 32 Prozent waren in Deutschland geboren. Die Studie belegte auch, dass junge Frauen, die gegen ihren Willen verheiratet werden sollen, häufig die Schule oder ihre Ausbildung abbrechen müssen. Auch müssen sie damit rechnen, im Ausland, in der Heimat ihres Ehemannes, leben zu müssen.
Keine repräsentative Studie
Familienministerin Schröder, sagte die Studie sei nicht repräsentativ. Sie sei aber die erste bundesweite Untersuchung, die wichtige Anhaltspunkte zu dem Phänomen der Zwangsverheiratung liefere. Wie viele Menschen in Deutschland tatsächlich betroffen seien, sei wegen der hohen Dunkelziffer nicht festzustellen.
Die über Beratungsstellen und Frauenhäuser ermittelten Zahlen zeigten auch, das sich „nur die Mutigen“ Rat holten. Viele andere seien vermutlich von der Familie so „eingeschüchtert“, dass sie sich keine Hilfe suchten.
Schröder kündigte an, ein Hilfstelefon für Frauen und Männer einzurichten, die von Zwangsverheiratung bedroht oder bereits betroffen sind. Der Anschluss solle rund um die Uhr besetzt werden, Gesprächsangebote in Fremdsprachen machen und Hilfe vor Ort vermitteln. Die Leitung solle Ende 2012 stehen.
Kontakt zur Türkei wegen Zwangsverheiratungen
Zudem will Schröder Lehrer dafür sensibilisieren, damit sie jungen Migranten in einer Krisensituation helfen können. Heute herrsche vielfach die Meinung, Zwangsehe spiele im Schulalltag keine Rolle. „Das muss sich dringend ändern“, sagte Schröder. Die Bundesregierung wolle auch auf die „muslimischen Autoritäten“ in Deutschland einwirken, damit diese Zwangsverheiratungen verweigern und dagegen einschreiten.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, sagte, an Lösungen müssten auch die Herkunftsländer beteiligt werden. Es gebe dazu Kontakte zur türkischen Regierung.
Die Grünen warfen der Regierung vor, zu wenig gegen Zwangsverheiratung zu tun. Mit einem Krisentelefon mache Schröder es sich zu einfach. Es müsse eine dauerhafte Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben, die verbindliche Regeln für länderübergreifende Hilfen vereinbare, forderten die Abgeordneten Memet Kilic und Monika Lazar. (dapd)