Perugia. Eine junge amerikanische Austauschstudentin ist im italienischen Perugia zu einer 26-jährigen Haftstrafe verurteilt worden. Der drei Jahre ältere Ex-Freund der 22-Jährigen wurde ebenfalls schuldig gesprochen. Die beiden sollen 2007 Knox' britische Mitbewohnerin erstochen haben.
Im spektakulären Prozess um den Sexualmord an einer britischen Austauschstudentin im italienischen Perugia ist die US-Studentin Amanda Knox schuldig gesprochen worden. Die 22-Jährige wurde am frühen Samstagmorgen zu 26 Jahren Haft verurteilt, ihr drei Jahre älterer italienischer Ex-Freund Raffaele Sollecito muss nach dem Urteil für 25 Jahre ins Gefängnis. Beide Angeklagten hatten immer wieder ihre Unschuld beteuert.
Halbnackt und mit durchschnittener Kehle
Nach rund zwölf Stunden Beratung kamen die sechs Geschworenen und zwei Richter zu dem Schluss, dass Knox und Sollecito im November 2007 die 21-jährige Meredith Kercher ermordet haben. Bei der Urteilsverkündung brach Knox in Tränen aus, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Sie stammelte «nein, nein» und fiel ihrem Anwalt in die Arme. Sollecito verharrte bleich und regungslos. «Nur Mut, nur Mut, Raffaele», rief ihm seine Schwester zu, als er den Gerichtssaal verließ. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die junge Britin war halbnackt und mit durchschnittener Kehle in der Wohnung gefunden worden, die sie gemeinsam mit Knox und zwei Italienerinnen in der Universitätsstadt Perugia bewohnte. Laut Anklage wurde sie getötet, weil sie sich weigerte, bei Sexspielen mitzumachen.
DNA-Spuren an der Tatwaffe
Knox und Sollecito sollen unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen die Britin erstochen haben, während sie von einer Abendbekanntschaft der beiden, Rudy Guede, festgehalten wurde. Guede wurde wegen Beteiligung an dem Mord bereits zu 30 Jahren Haft verurteilt. Auch er hatte auf unschuldig plädiert und legte Berufung ein.
Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslange Haft für Knox und Sollecito gefordert. Sie stützte ihre Anklage vor allem auf die Tatwaffe, an der DNA-Spuren der US-Studentin festgestellt wurden. Ermittler hatten das Messer in der Wohnung von Sollecito sichergestellt. Die Verteidigung argumentierte dagegen, die Indizien reichten nicht aus, um die Schuld klar nachzuweisen. Die Anwälte stellten den aus der Elfenbeinküste stammenden Guede als alleinigen Täter dar - der wiederum Sollecito und Knox belastete.
Knox' Familie beschuldigt die Medien
Bei ihrem Schlussplädoyer am Donnerstag hatte Knox nochmals ihre Unschuld beteuert. Sie befürchte, für etwas zur Verantwortung gezogen zu werden, was sie nicht getan habe, sagte sie. Sollecito wiederholte, in der Mordnacht nicht in der Tatwohnung gewesen zu sein. Die beiden Angeklagten hatten in ihren Aussagen behauptet, die Tatnacht gemeinsam in Sollecitos Apartment verbracht zu haben.
Die Familie von Knox zeigte sich «sehr enttäuscht» über das Urteil. In einer im Nachrichtensender CNN verlesenen Erklärung beklagten die Angehörigen, dass «Attacken der Medien und der Staatsanwaltschaft auf Amandas Charakter» die Einschätzung der Geschworenen beeinträchtigt hätten. «Amanda ist unschuldig und wir werden weiter für ihre Freiheit kämpfen», hieß es.
Der "Engel mit den Eisaugen"
Der Prozess hatte wegen der verbreiteten sexuellen Details und Internet-Fotos der Angeklagten für ein riesiges Medieninteresse gesorgt. Die junge Frau aus der US-Stadt Seattle hatte sich in sozialen Online-Netzwerken als ausgelassene Partygängerin dargestellt. Italienische Zeitungen gaben ihr während des Verfahrens den Namen «Engel mit den Eisaugen».
Neben Familienmitgliedern von Knox waren auch Angehörige des Opfers zu der Urteilsverkündung nach Perugia gereist. Ihnen sprach das Gericht Schadenersatz zu. Sollecito und Knox müssen an beide Elternteile von Meredith Kercher jeweils eine Millionen Euro zahlen und dazu 800.000 Euro an jedes der drei Geschwister der ermordeten Britin. (afp)