Khot Ahmad Shah. . Alter Schlendrian und falscher Nationalstolz verstärken die Katastrophe. 300 Menschen starben bereits in den Fluten. Hunderttausende Hütten mussten verlassen werden.

„Wir fürchten, dass es in diesem Jahr wieder Überschwemmungen geben wird“, erzählte der der 48-jährige Tagelöhner Iqbal Punjhal bereits im Juni, während er in dem Dorf Khot Ahmed Shah in der pakistanischen Provinz Sindh in seiner mit Hilfsgeldern von Misereor errichteten neue Hütte hockte, „denn die Regierung hat die Dämme, die bei der Flut im vergangenen Jahr zerstört wurden, immer noch nicht repariert.“

Sintflutartiger Monsun

Inzwischen sind die Ängste des hochverschuldeten Landarbeiters Wirklichkeit geworden. Der sintflutartige Monsun hat weite Teile der Provinz unter Wasser gesetzt. Hunderttausende von Hütten und Häusern mussten wegen des steigenden Wassers verlassen werden. Die Behörden melden rund 300 Tote. Und die Zahl der Betroffenen schwankt je nach Quellenangaben zwischen fünf und zehn Millionen Menschen. Im vergangenen Jahr, als Hochwasser ein Fünftel Pakistans unter Wasser setzte, waren 20 Millionen Menschen betroffen.

Die neue Katastrophe setzte prompt das Räderwerk der Desasterhilfe in Bewegung. Hilfsorganisationen wenden sich mit Spendenaufrufen an die Öffentlichkeit. Die Streitkräfte haben Soldaten losgeschickt, um Überschwemmungsopfer zu bergen und Lebensmittel zu verteilen. Staatspräsident Asif Ali Zardari wendete sich mit einem an Verzweiflung grenzenden Appell an die Vereinten Nationen und bat um Hilfe.

Noch vor wenigen Monaten war von solcher Demut wenig zu spüren. Hochmütig wischte Islamabad Angebote zum finanziellen Wiederaufbau nach den verheerenden Überschwemmungen des vergangenen Jahres vom Tisch. Der Grund: Die Geber knüpften Kredite an überfällige Reformen. Islamabads Antwort: Man werde die Kosten für den Wiederaufbau dann selber stemmen.

Schulden explodieren

In Wirklichkeit geschah viel zu wenig. Nicht einmal die Deiche, die angesichts der massiven Wassermassen im vergangenen Jahr gesprengt werden mussten, wurden geflickt. Die Folge: Gegenwärtig findet das Regenwasser – die Niederschläge erreichten bis zu 500 Millimeter statt der sonst üblichen 30 Millimeter pro Jahr – nahezu ungehindert seinen Weg in die Felder.

Schon 2010 zerstörten die Überschwemmungen die komplette Ernte der Familie Punjhal, einer von Hunderttausenden von Hari-Familien, die auch jetzt wieder betroffen sind. Der Schuldenberg explodierte. Der Tagelöhner Punjhal: „Ich glaube nicht, dass wir unsere Schulden noch einmal abbezahlen können.“