Paris. . Tiefer Absturz: Der Modemacher Galliano muss wegen seiner judenfeindlichen Pöbeleien eine Geldstrafe von 6000 Euro zahlen. Das hat ein Pariser Gericht entschieden. Das französische Traditionshaus Dior hatte ihn nach seinem Ausfall bereits gefeuert.

Er entstammt einfachsten Verhältnissen und arbeitete sich mit zauberhaften Schnitten empor zum gefeierten Modezar. Doch dann erlebt der britische Modeschöpfer John Galliano (50) den tiefen Absturz. Weil er Gäste in einer Pariser Bar mit antisemitischen und rassistischen Sprüchen aufs Übelste beleidigt hatte, wirft das Haus Christian Dior seinen schillernden Kreativdirektor kurzerhand hinaus. Den juristischen Schlusspunkt setzt jetzt die 17. Pariser Strafkammer, sie verurteilte den Star am Donnerstag zu einer Geldstrafe von 6000 Euro.

Der Tatort liegt mitten im trendigen Pariser Marais-Viertel. Die Brasserie „La Perle“ gehörte zu John Gallianos Lieblingsbars in der Seine-Metropole. Ein Ort, wo er nach stressig-langen Arbeitstagen im Dior-Atelier abschaltete. Doch manchmal schaute er dabei viel zu tief ins Glas, wie die gruseligen Handyvideos beweisen, die per Internet um die Welt gingen. Denn darin verwandelt sich der extravagante Modemacher in einen braunen Schwadroneur, der dumpfe „Ich-liebe-Hitler“-Sprüche klopft.

Dior ließ Galliano fallen

Andere Male, im vergangen Oktober und im Februar, offenbar wieder sturzbesoffen, gerät er mit Frauen am Nachbartisch in Streit und wirft ihnen antisemitische und rassistische Beleidigungen an den Kopf. Nun ist für das auf eine saubere Weste bedachte Modehaus das Maß voll. Dass der exzentrische Brite mithalf, die Dior-Umsatzzahlen auf 665 Millionen Euro zu vervierfachen, dass Präsident Sarkozy ihn gar zum „Ritter der Ehrenlegion“ ernannte – all diese Lorbeeren zählen nun nichts mehr. Nach vierzehn erfolgreichen Jahren lässt Dior seinen exzentrischen Star fallen.

Dieser bestreitet zunächst vehement alle Anschuldigungen, doch schließlich ringt er sich zu einer Entschuldigung durch. „Antisemitismus und Rassismus haben keine Platz in unserer Gesellschaft: Ich entschuldige mich ohne Vorbehalte für mein Verhalten“, heißt es in seiner Erklärung. Auf dem Kommissariat und später vor Gericht berichtet Galliano mit zitternder Hand von seiner dreifachen Suchterkrankung: Alkohol plus Schlaftabletten und Valium. An die Vorfälle könne er sich jedoch nicht erinnern. Der extrem hohe Arbeitsdruck bei Dior sowie finanzielle Schwierigkeiten hätten ihn in die Misere gestürzt, gibt er im Gerichtssaal zu Protokoll. „Dior ist eine große Maschine und ich wollte Galliano nicht verlieren.“

Das knallharte Modegeschäft zwingt viele in die Knie

Tatsächlich verbirgt sich hinter der faszinierenden Glamourwelt aus lächelnden Mannequins und Laufstegen, grellem Blitzlichtgewitter und prächtigen Hochglanzmagazinen ein gnadenloses Milliarden-Business. Prêt-à-Porter, Haute Couture, atemberaubende Dessous für Frauen, schicke Unterwäsche für Männer, niedliche Mode für die Kleinen – andauernd müssen die auf Höchstleistung, Kreativität und Rendite getrimmten Modeschöpfer neue Kollektionen auf den Markt werfen. Bei Galliano waren's mal zwanzig und zuletzt acht im Jahr.

Nicht alle erweisen sich als so diszipliniert und robust wie Karl Lagerfeld, einige, wie Marc Jacobs, zwingt das knallharte Modegeschäft in die Knie. Der Louis-Vuitton-Chefstylist, der Gallianos Nachfolger bei Dior werden könnte, suchte einst Zuflucht in einer Entzugsklinik. Modeschöpfer Alexander McQueen, erschöpft und depressiv, griff Anfang 2010 in seinem Londoner Appartement zum Strick und setzte seinem Leben ein Ende. Auch Steven Robinson, Gallianos rechte Hand bei Dior, beging Selbstmord: Er starb 2007 an einer Medikamenten-Überdosis.

"Auf jedes kreative Hoch folgte der nächste Crash"

Lange Zeit passt sich John Galliano erfolgreich dem Drill der Modeschauen an. Jeden Morgen treibt der schmächtige Mann mit dem dünnen Oberlippenbärtchen zwei Stunden Sport und hält sich streng an den Diätplan seines Ernährungsberaters. Doch irgendwann sucht ihn die Sucht in zyklischen Schüben heim. „Auf jedes kreative Hoch folgte der nächste Crash“, sagt er dem Gericht. Inzwischen hat er sich einer Entziehungskur unterzogen. Ob es für den Sohn eines Londoner Klempners und einer spanischen Hausfrau ein Comeback, eine Rückkehr auf den Laufsteg, geben wird? Die Chancen, seine eigene Marke „Galliano“ behalten zu können, stehen jedenfalls nicht sonderlich gut. Das Haus Dior, dem das Label zu neunzig Prozent gehört, wird sich wohl davon trennen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Als Supermodel Kate Moss in diesem Sommer vor den Traualtar tritt, trägt sie ein Hochzeitskleid made by John Galliano.