Kapstadt. . Rund 90 000 Menschen leben in Südafrika vom Müll anderer Leute. Sie durchkämmen die Abfalleimer nach Widerverwertbarem wie Metall und sichern sich damit ihren Lebensunterhalt.
Sie durchsuchen die Mülltonnen am Straßenrand nach wiederverwertbaren Bestandteilen des Abfalls: Rund 90 000 Menschen in Südafrika leben direkt vom Verkauf von Recyclingmaterial, das sie zuvor per Hand aus dem Haushaltsmüll sortiert haben. Weil in Afrikas führender Wirtschaftsnation der Hang zum privaten Mülltrennen ausgesprochen unterentwickelt ist, spielen die „waste pickers“ eine wichtige Rolle im Abfallkreislauf des Landes.
Jeden Dienstagmorgen schiebt Lawrence Vadso seinen Einkaufswagen, der einmal einer großen Supermarktkette gehörte, scheppernd durch die stillen Straßen von Monte Vista, einem Vorort im Norden von Kapstadt. Die Nacht hatte er wie immer unter einer Fußgängerbrücke im nahen Industriegebiet verbracht, wo sich die Recyclingunternehmen der Atlantikmetropole angesiedelt haben. Nun liftet er Deckel für Deckel der großen 240-Liter-Container, um im Hausmüll darin nach wertvollen Rohstoffen zu wühlen. „Metalle und Zeitungen, das bringt Geld“, sagt er.
Vadso muss sich sein Revier in Kapstadts Vororten mit etlichen Konkurrenten teilen. Von 8 bis 11 Uhr sind sie unterwegs, dann kommt das große Müllfahrzeug und schluckt, was sie als letztes Glied der Verwertungskette nicht mehr gebrauchen können und übrig ließen – den Müll-Rest.
90.000 Müllsammler im gesamten Land
Die Vereinigung der südafrikanischen Verpackungsindustrie schätzt, dass es im ganzen Land etwa 90 000 dieser Müllsammler gibt. Obwohl der Wert des wiederverwertbaren Privatmülls in Afrikas einziger Industrienation auf etwa eine Milliarde Euro taxiert wird, steht die systematische Mülltrennung in den Haushalten noch auf dem Stand wie dem in Deutschland vor etwa 30 Jahren: Alles landet in der gleichen Tonne. Nur vereinzelt gibt es in den südafrikanischen Großstädten wie Johannesburg, Pretoria, Durban und Kapstadt Sammelpunkte für Papier und Glas. Noch seltener sind Container für Plastikmüll und Metallreste anzutreffen. Männer wie Lawrence Vadso dienen den Recyclingfirmen daher als wichtige Zulieferer.
„Der Einzelne kann es an guten Tagen auf bis zu 120 Rand bringen“, etwa zwölf Euro, schätzt Suzan Oelofse, Präsidentin des Instituts für Abfallmanagement im Südlichen Afrika (IWMSA). Das ist, auf den Monat hochgerechnet, zwar nur die Hälfte dessen, was ein Bauarbeiter nach Hause bringt, aber immer noch besser, als sich seinen Lebensunterhalt durch Diebstahl oder Raub zu verdienen. Gleichwohl steht das Müllsammeln auf der untersten Stufe des sozialen Ansehens: „Wenn meine Nachbarn wüssten, wie ich mein Geld verdiene, würden sie mich beschimpfen“, sagt Vusi Mhlongo, der in einer Hüttensiedlung außerhalb von Johannesburg lebt.
Damit Südafrikas Müllsammler auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Abfallkreislauf spielen dürfen, haben sie sich selbst organisiert und ihre eigene Müllsammler-Vereinigung („SA Waste Pickers Association“) gegründet. Deren Präsident Simon Mbata sagte der Zeitung Business Daily: „Wir kämpfen dafür, Teil des südafrikanischen Recycling-Systems zu bleiben.“ Seinen Angaben zufolge seien schon etwa 20 000 Müllsammler Mitglied dieser Vereinigung, also fast jeder Vierte.
Auch Essbares wird unbedacht weggeworfen
Unter seinem Brücken-Obdach in Monte Vista hat Lawrence Vadso von dieser Interessenvertretung noch nichts gehört. Auch von dem maximalen Profit, den möglicherweise andere Kollegen erzielen, ist er noch weit entfernt. „Ich mache im Schnitt nur 50 Rand pro Tag“, sagt er. Und schiebt seinen Einkaufswagen mit den diversen Tüten für die verschiedenen Abfälle ein Stück weiter.
In einem dieser Beutel sammelt Vadso Essbares. Auch dies wird in Südafrikas Vororten viel zu oft und unbedacht einfach in den Müll geworfen.