Die Helden von Chile finden nicht zurück ins Leben
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San José. . Am 5. August 2010 wurden 33 Bergleute in einer chilenischen Mine verschüttet. Nach 69 Tagen unter der Erde wurden sie in einer spektakulären Aktion gerettet. Vom Ruhm der ersten Tage in Freiheit ist ein Jahr später nicht mehr viel geblieben.
Als vor einem Jahr irgendwo in der Unwirtlichkeit der chilenischen Atacama-Wüste 700 Tonnen Gestein über 33 Bergleuten zusammenbrachen, nahm die Welt das nur am Rande wahr. Zu oft geschehen diese Unglücke in den unzureichend gesicherten Minen weltweit. Die Hoffnungen auf das Überleben der Kumpel der Kupfermine San José waren in 400 Metern Tiefe bei tropischen Temperaturen minimal. Dann gab nur wenige Tage nach dem Unglück auch der zuständige Minister Laurence Golborne die Minenarbeiter praktisch auf. „Die Chancen, die Männer lebend zu finden, sind sehr gering“, sagte er sehr zum Ärger der Angehörigen.
Das Ende ist bekannt. Am 22. August, 17 Tage nach dem Unglück, stellten die Rettungskräfte Kontakt zu den Mineros her. In eine Sonde steckten sie einen kleinen Zettel: „Uns 33 geht es gut im Schutzraum“, stand darauf. Chiles Präsident Sebastián Piñera reckte das zerknüllte Stück Papier in die Kameras und rief: „Heute weint ganz Chile vor Freude und Ergriffenheit.“
Gigantischer Medienrummel
Anschließend begann eine der größten Rettungsaktionen in der Geschichte des Bergbaus. Helfer aus aller Welt bohrten, buddelten und beruhigten. 20 Millionen Dollar wendeten die chilenische Regierung und Private auf, um die Kumpel zu bergen. Ein gigantischer Medienrummel begleitete die Wochen der Rettung bis zum 13. Oktober.
Während die Kumpel tief unten bei 35 Grad schwitzten und ums tägliche Überleben kämpften, meldeten 1600 Journalisten aus allen Kontinenten jede Gefühlsregung und jede Unpässlichkeit der 33 in alle Welt. Als sie schließlich geborgen wurden, waren aus einfachen Bergleuten Personen der Zeitgeschichte geworden. Sie trafen US-Präsident Barack Obama, bekamen Ferien in Griechenland geschenkt, und manche wurden von Real Madrid zu einem Spiel nach Spanien eingeladen.
Angst vor der Dunkelheit und dem Alleinsein
Ein Jahr nach dem Unglück ist nicht viel von alledem übrig geblieben. Spielzeugfiguren, die den Kumpel nachempfunden wurden, kommen gerade auf den Markt, ein Vertrag für einen Spielfilm wurde jüngst unterschrieben. Aber ins normale Leben zurückgefunden haben die wenigsten der 33 Männer. Sieben von ihnen befinden sich nach wie vor in Therapie, zumeist wegen Schlafstörungen. Der eine oder andere hat nach wie vor Angst vor der Dunkelheit oder dem Alleinsein.
Die meisten Männer haben mit ihren Familien längst das Geld ausgegeben, das sie damals von Milliardären und Wohlmeinenden zugesteckt bekamen, 15 der 33 Kumpel sind arbeitslos, sieben halten sich mit Vorträgen über Wasser, drei verkaufen Früchte und Gemüse, und nur vier sind wieder eingefahren und arbeiten in anderen Minen Chiles. Die Hälfte der Kumpel ist so alt, dass sie ohnehin keine neue Arbeit mehr findet.
Nicht alle werden am heutigen Freitag zu den Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag kommen, deren Höhepunkt ein ökumenischer Gottesdienst in der nahen Kreisstadt Copiapó sein wird im Beisein von Ex-Bergbauminister Golborne und Präsident Piñera. Aber alle 33 Männer hoffen darauf, dass die Regierung ihnen zu der Gelegenheit eine lebenslange Pension von 300 Euro monatlich zuerkennt.
Das Grubenunglück von Chile
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Der Ruhm zu Kopf gestiegen
Fehlen wird unter anderen Mario Sepúlveda, der unter Tage der Chef der Gruppe war und als erster gerettet wurde. Er hat sein Schicksal als einer der wenigen zu einer lukrativen Beschäftigung genutzt und keine Zeit zu kommen. Sepúlveda hat in der Hauptstadt Santiago mit seiner Frau eine kleine Agentur gegründet, von wo aus sie „Súper Mario“ mit Hilfe einer US-Beratungsagentur vermarkten.
Edison Peña, dem Marathon-Läufer und Elvis-Presley-Fan, hingegen ist sein Ruhm zu Kopf gestiegen. Er war bei Night-Talker David Letterman, er lief den New-York-Marathon und war gerade in Kanada, wo er eine perfekte Imitation seines großen Rock’n’Roll-Idols gab. „Bei so viel Bekanntheit kommt man sich vor wie ein Star“, sagte er der chilenischen Tageszeitung „El Mercurio“.
Seine Freundin Angélica Alvarez ist schwer genervt: „Die Mine hat Edison verändert. Er ist nicht mehr der Gleiche wie vor dem Unglück. Edison ist noch immer nicht da unten rausgekommen.“
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