Copiapo. .
Nach der geglückten Rettung der 33 verschütteten Bergleute steht das Land Kopf. Auch den Kumpels stehen turbulente Zeiten bevor. Präsident Pinera hat unterdessen die endgültige Schließung der Unglücksmine angekündigt.
Chile im Freudentaumel: Nach der geglückten Rettung der 33 verschütteten Bergleute steht das Land Kopf - auch den Kumpels stehen turbulente Zeiten bevor. Zwei Monate Martyrium in einer eingestürzten Grube sind vorbei und die Bergleute haben Promi-Status erreicht. Sie werden gefeiert wie Nationalhelden und überhäuft mit Geschenken und Einladungen.
Den Bergleuten ging es am Donnerstag den Umständen entsprechend gut. Sie wurden im Krankenhaus behandelt, einer von ihnen erhielt wegen einer Lungenentzündung Antibiotika. Die Kumpel sollen mindestens ein halbes Jahr lang betreut werden. Notwendig wird wohl auch eine psychologische Betreuung sein. Der Arzt Guillermo Swett erklärte, der 19-jährige Jimmy Sanchez, der jüngste der Gruppe, habe offenbar Probleme mit der Situation. Er habe nicht viel gesprochen und scheine depressiv zu sein, erklärte er.
Film-Angebote und Einladung von Real Madrid
Für die meisten der Bergarbeiter dürfte ihre längste Schicht tatsächlich auch ihre letzte gewesen sein: Sie erhielten zahlreiche Job-Angebote sowie Buch- und Filmverträge. Ein lokaler Geschäftsmann schenkte jedem der Geretteten umgehend 10.000 Dollar, Apple-Chef Steve Jobs ließ jedem einen iPod schicken und eine griechische Firma lud sie zu einem Insel-Urlaub ein. Präsident Pinera, dessen Popularität infolge der Rettungsaktion beträchtlich gewachsen war, plant einen Empfang in seinem Palast in der Hauptstadt Santiago. Die Fußball-Clubs Manchester United und Real Madrid wollen die Arbeiter, zumeist begeisterte Fußball-Fans, zu Spielen nach Europa einladen.
Bei einigen Angehörigen schleicht sich allerdings die Angst ein, ihre Lieben, um deren Leben sie fast zehn Wochen lang gebangt haben, könnten wieder in die Mine einfahren.“Als Vater würde ich ihnen raten, sich einen anderen Job zu suchen“, sagt Alfonso Ávalos, der gleich zwei Söhne in der Tiefe hatte und dessen Ältester Florencio in der Nacht zum Mittwoch als erster ans Tageslicht zurückgekehrt war. „Sie müssen es selbst entscheiden - aber wenn sie zurückgehen, werde ich sicherlich nicht mehr gut schlafen“.
Ungewisse Zukunft für die Bergleute
In den meisten kleinen Bergwerken des Landes ist die Sicherheit wesentlich schlechter als in den großen. Deshalb wüssten die Kumpel beim Einfahren in den Schacht „nie, ob sie wieder nach Hause zurückkehren werden“, sagt Ávalos“ Schicksalsgenosse Jimmy Cardona. Auch er fürchtet, einige der Geretteten könne es in den Bergbau zurückziehen.Tatsächlich erwartet die 33 Mineros eine ungewisse Zukunft: Der Betreiber der Unglücksmine steht vor dem Bankrott, sein Vermögen wurde auf Betreiben der Regierung eingefroren. Die Kumpel bekommen noch ihren Lohn für September - dann ist es vorbei. 2000 Dollar für jeden von ihnen will ein anonymer Unternehmer spenden, 10.000 Dollar pro Kopf hat der exzentrische Millionär Leonardo Farkas zugesagt.
Zudem haben die Familien den Minenbesitzer auf zwölf Millionen Dollar Entschädigung verklagt - doch noch hat das Gericht nicht entschieden, und selbst danach ist unklar, ob sie jemals Geld sehen werden. Einzige fast sichere Einnahmequelle ist das Geld aus dem Verkauf der geplanten Bücher und Filme über das Wunder von San José.
Hohe Löhne in Risiko-Bergwerken
Ihr einziges Arbeitsangebot stammt von einer der Minen von Farkas, die ebenso wie die nun verschüttete Gold- und Kupfermine in der Region Copiapó liegt. Einige der Kumpel wie etwa Victor Segovia haben ihren Angehörigen bereits zu verstehen gegeben, dass sie wieder einfahren werden: „Mein Bruder sagte mir „Ich bin Bergmann und ich werde als Bergmann sterben““, berichtete sie. Ihn lockt auch der relativ hohe Lohn von 1000 Dollar, in dem eine Art Risikozuschlag bereits enthalten ist. Andere zögern noch, und ihre Angehörigen zittern. „Ich finde es reicht, wir haben genug gelitten“, sagt der Sohn des 56-jährigen Elektrikers Omar Reygadas, der den Namen seines Vaters trägt. „Der Untertagebau hier ist nicht sicher, jederzeit kann etwas passieren,“ sagt der 33-Jährige.
Noch feiert Chile das Wunder von San José, verzeichnen Präsident Sebastian Piñera und Bergbauminister Laurence Golborne hohe Popularitätsraten. Noch ist das Land vor allem stolz auf die professionelle Rettung. Doch inzwischen ist auch bekannt, dass der Staat ein treuer Kunde der Mine von San José war - nach einem schweren Unfall durfte sie zudem trotz erheblicher Sicherheitsbedenken im vergangenen Jahr wieder in Betrieb gehen.
Chilenische Unglücksmine wird geschlossen
Präsident Sebastian Pinera hat unterdessen die endgültige Schließung der Unglücksmine angekündigt. „Diese Mine wird definitiv nie mehr öffnen“, sagte er am Donnerstag. Die Veranwortlichen würden nicht straffrei davonkommen. Der Präsident kündigte außerdem Vorschläge an, um die Sicherheit in den chilenischen Bergwerken zu verbessern. Zuvor waren die Verschütteten innerhalb von 22 Stunden und 33 Minuten an die Oberfläche geholt worden und hatten das ganze Land in einen Freudentaumel versetzt.
Pinera gab die Kosten für die Rettung mit zehn bis zu 20 Millionen Dollar (14,2 Millionen euro) an. Ein Drittel davon übernehmen private Spender, die Restsumme bezahlen die staatliche Minengesellschaft Codelco und die Regierung. Hinzu kommen wohl noch Entschädigungszahlungen an die verschütteten Bergleute.
Merkel und Wulff loben erfolgreiche Rettung
Die erfolgreiche Rettung der chilenischen Bergleute kommt nach Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel einem „kleinen Wunder“ gleich. „Ich bin natürlich, wie vielleicht Millionen oder Milliarden Menschen auf der Welt, froh, dass alle Bergleute gerettet werden konnten“, sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Berlin.
Merkel würdigte die „beeindruckende gemeinsame Anstrengung der chilenischen Regierung, der Menschen in Chile“. Das Land habe gezeigt, was in ihm stecke. „Wir alle haben uns mitgefreut“, sagte die Kanzlerin. Es handele sich um ein kleines Wunder, das von Menschen gemacht worden sei. Insofern sei dies „ein wunderbarer Tag“.
Bundespräsident Christian Wulff gratulierte dem chilenischen Präsidenten Sebastian Pinera zur Rettung der Bergleute mit einem Telegramm. „Ganz Deutschland hat an dem Schicksal der Bergleute in Chile Anteil genommen“, schrieb Wulff. „Der Mut und die Zuversicht dieser Männer haben uns alle tief beeindruckt.“ (dapd/rtr/afp)