New York. . Eigentlich schien die Anklage gegen Dominique Strauss-Kahn stichhaltig. Er soll versucht haben, ein New Yorker Zimmermädchen zu vergewaltigen. Das verstrickte sich jedoch in einem Netz aus Lügen. Jetzt ist in dem Fall wieder alles offen.
Vor wenigen Wochen schien die Anklage gegen den früheren IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung eines New Yorker Zimmermädchens absolut stichhaltig. Es gab Beweise, die den einst so mächtigen Franzosen mit der Hotelangestellten aus Guinea in Verbindung brachten. Nachdem aber bekannt wurde, dass sich die Klägerin in einem Netz aus Lügen über ihre Vergangenheit verstrickte, ist die Zukunft des Falls ungewiss.
Was in den Köpfen der New Yorker Staatsanwaltschaft derzeit genau vorgeht, darüber kann die Öffentlichkeit nur spekulieren. Das Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan teilte am Dienstag mit, man habe noch keine Entscheidungen darüber getroffen, was zu tun sei. Die Ermittlungen gingen aber weiter, die Anklage gegen Strauss-Kahn sei nicht fallen gelassen worden. Die Behörden zweifeln wohl auch nicht grundsätzlich an der Behauptung der Klägerin, dass sie angegriffen worden sei. Inmitten der Enthüllungen über die zurückliegenden Lügen der Klägerin stünden die Details aber „ein bisschen mehr in Zweifel“, hieß es.
Der Kern der Anklage gegen Strauss-Kahn bleibt unverändert: Das 32 Jahre alte Zimmermädchen aus Guinea erklärte der Polizei, sie sei am 14. Mai zum Saubermachen in eine Luxus-Suite des New Yorker Sofitel-Hotels gegangen, von der sie dachte, sie sei leer. Nachdem sie die Suite betreten habe, sei ein nackter Strauss-Kahn aus dem Badezimmer gekommen. Es sei zu einem Kampf gekommen: Der Franzose riss ihre Strümpfe herunter und zwang sie zum Oralsex. Wie die Klägerin weiter erklärte, habe sie das ejakulierte Sperma von Strauss-Kahn auf den Teppich gespuckt und das Zimmer verlassen.
Falsche Angaben auf Einwanderungspapieren
Nachdem Strauss-Kahn in einem New Yorker Stadthaus unter Hausarrest gestellt worden war, kamen bei der Staatsanwaltschaft allmählich Fragen auf. Die Klägerin erklärte den Staatsanwälten nach Angaben einer Gewährsperson bei einem Treffen am 9. Juni, sie habe auf ihren Einwanderungspapieren falsche Angaben zu ihren Erlebnissen in Guinea gemacht. Unter anderem erfand die Frau ihre Darstellung, wonach sie Opfer einer Gruppenvergewaltigung geworden sei, teilte die Staatsanwaltschaft später mit.
Bis zu einem weiteren Treffen mit der Klägerin am 28. Juni hätten die Staatsanwälte in Erfahrung gebracht, dass Zehntausende Dollar von mehreren Personen auf das Konto der Klägerin überwiesen worden waren, hieß es aus Kreisen der Strafverfolgungsbehörden. Die Behörden hegten demnach den Verdacht, das überwiesene Geld stehe im Zusammenhang mit Drogengeschäften.
Ende Juni erhielten die Staatsanwälte zudem die Mitschrift eines aufgezeichneten Telefongesprächs, die die Klägerin einen Tag nach der Festnahme Strauss-Kahns mit einem wegen Marihuanavorwürfen inhaftierten Mann geführt hatte. In dem Telefongespräch habe die Hotelangestellte erwähnt, dass Strauss-Kahn Geld habe, sagte eine Gewährsperson.
„Die Zeugin muss keine Heilige sein“
Kurz darauf machte die Staatsanwaltschaft einige ihrer Erkenntnisse vor Gericht öffentlich. Unter anderem gab sie bekannt, dass die Klägerin auf ihrer Steuererklärung ein Kind angeführt habe, das nicht ihr eigenes ist. Strauss-Kahn wurde infolge der Bekanntgabe aus dem Hausarrest entlassen.
Einige Experten sind der Ansicht, es seien nicht die erfundenen Darstellungen der Klägerin, die dem Fall einen Schlag versetzt hätten. Es sei vielmehr die Tatsache, dass sie ausgerechnet gegenüber denjenigen Personen gelogen habe, die ihr Anliegen gegen Strauss-Kahn strafrechtlich verfolgten. „Keiner hat diesen Fall gefährdet außer ihr“, sagte die ehemalige Chefin der Einheit für Sexualverbrechen im Büro der Bezirksstaatsanwaltschaft von Manhattan, Linda Fairstein.
„Die Zeugin muss keine Heilige sein, sie muss nur aufrichtig sein“, sagte Fairstein weiter. Der Anwalt der Klägerin räumte ein, seine Mandantin habe in ihrem Leben Fehler gemacht. Sie sage aber die Wahrheit über ihr Zusammentreffen mit Strauss-Kahn. Die Darstellung seiner Mandantin von dem, was Strauss-Kahn ihr in der Suite angetan habe, sei unverändert, sagte Kenneth Thompson. Trotz der Fragen, die mit Blick auf ihre Glaubwürdigkeit aufgeworfen wurden, wolle seine Klientin bei einem Prozess aussagen, erklärte er. (dapd)