Göttingen. . Der 13-jährige Tobias war eines der Opfer des Bodenfelde-Doppelmords. Im Interview erzählt der Anwalt der Eltern vom Leid, den die Tat über die Familie gebracht hat. Die Entschuldigung des Täters wollen sie nicht annehmen.
Vor dem Landgericht Göttingen wird am Montag (27. Juni) das Urteil gegen den mutmaßlichen Doppelmörder von Bodenfelde erwartet. Der 26-jährige Jan O. hat bereits gestanden im November 2010 die 14-jährige Nina und den 13 Jahre alten Tobias getötet zu haben. Der Anwalt von Tobias Eltern sprach mit dapd-Korrespondentin Julia Spurzem über die Situation in der Familie nach dem grausamen Mord an dem 13-Jährigen.
Wie geht es der Familie von Tobias nach dem schrecklichen Mord?
Steffen Hörning: Es geht der Familie sehr schlecht. Nach dem Geschehenen ist der Vater arbeitsunfähig, es gibt keine Lebensfreude mehr und stattdessen tiefe Trauer. Die Eltern und Tobias Schwester gehen jeden Tag an das Grab von Tobias, um ihm irgendwie nahe zu sein. Das ist alles eine belastende und aufwühlende Situation, die man sich als Außenstehender überhaupt nicht vorstellen geschweige denn nachvollziehen kann.
Wie konnten Sie helfen?
Hörning: Ich bin ja bereits wenige Tage nach der Tat beauftragt worden, die Interessen der Familie zu vertreten. Wir tauschen uns aus über das Verfahren, über aktuelle Befindlichkeiten, auch über Dinge, wie ich behilflich sein kann. Es ging etwa nach der Tat erstmal darum, einen Therapieplatz für die Familie zu finden. Ich halte sie aber natürlich auch über den Verfahrensablauf auf dem Laufenden, weil sie das interessiert, auch wenn sie nicht anwesend sind.
Sind sie vorsichtig gewesen und haben auch schon mal besonders grausame Details weggelassen?
Hörning: Ich habe versucht, das alles wohl zu dosieren. Ganz schreckliche Dinge, insbesondere die, die sich bei der Tötung von Nina abgespielt haben, hab ich völlig ausgeblendet. Deshalb habe ich nie über diese Dinge wie Kannibalismus oder Vampirismus gesprochen. Inwieweit die Familie das aber über andere Wege erfahren hat, weiß ich nicht. Ich habe eben auch immer wieder festgestellt, dass beide Elternteile nah am Wasser gebaut sind. Sobald es etwas detaillierter wird, mussten wir oft abbrechen, weil es zu viel wurde.
Wie haben sie denn den Angeklagten erlebt? Gab es da Reue?
Hörning: Nein, Reue würde definitiv zu weit gehen. Ich hab an der ein oder anderen Stelle erlebt, dass es ihn nicht ganz kalt gelassen hat.
Sie sind selber Familienvater. Wie nah geht da ein solcher Prozess?
Hörning: Das ist einer von ganz wenigen Fällen in all den Jahren als Anwalt arbeite, wo es mir nicht gelungen ist, den Fall nicht mit nach Hause zu nehmen. Keiner von denen, die den Prozess beobachtet haben, die mit den Einzelheiten aus dem Endgeständnis des Angeklagten konfrontiert worden sind, kann so was kalt lassen. Man nimmt das mit in den Feierabend, wenn man mit der eigenen Familie zusammensitzt und dann über den Fall spricht. Es ist dabei immer die Frage präsent, wie es einem selbst gehen würde, wenn man wie Tobias Familie selbst betroffen wäre.
Gibt es einen Wunsch, den die Familie von Tobias im Moment hat?
Hörning: Der alles überlagernde Wunsch ist sicher der, dass Tobias wieder unter ihnen sein soll. Ein Wunsch, den ihnen niemand erfüllen können wird. Aber mit Blick auf das Verfahren ist natürlich der zentrale Wunsch, dass sie sicher sein können, dass der Angeklagte nie wieder auf freien Fuß kommt. Das formulieren sie auch ganz klar so.
Der Angeklagte hatte sich ja für die Taten in seinem Schlusswort entschuldigt. Nehmen ihre Mandanten diese Entschuldigung an?
Hörning: Nein, das haben sie auch vorher in einem Brief erklärt, den ich in meinem Plädoyer verlesen habe. Das ist völlig inakzeptabel. Eine Entschuldigung ist für die Familie wertlos. (dapd)