Essen. . Genau ein Jahr ist es her, da wurde der beliebte Wettermoderator Jörg Kachelmann am Frankfurter Flughafen verhaftet. Verdacht: Vergewaltigung. Wie der Prozess für ihn ausgeht, ist noch immer unklar.

Er kam aus Vancouver, von der Moderation der Olympischen Winterspiele und ahnte nichts. Sie ermittelten schon seit Wochen in der Sache Kachelmann, hatten sich sogar diskret beim Fernsehteam in Kanada erkundigt, ob er sich irgendwie auffällig benehme.

Als die Kripobeamten am 20. März, vor genau einem Jahr, auf dem Frankfurter Flughafen zuschlagen, ha­ben sie die Aktion lange vorbereitet. Sie erwarten ihn an seinem Wagen im Parkhaus, sie observieren ihn, als er von seiner Geliebten leidenschaftlich begrüßt wird.

Der Aufstieg und Fall des Jörg Kachelmanns, selten hat ein Kriminalfall die Öffentlichkeit so elektrisiert wie dieser. Selten hat sich ein Fernsehpublikum, hat sich ganz Deutschland in einem scheinbar vertrauten Menschen so getäuscht gefühlt. Der lilalaunige Wetterfrosch ein brutaler Vergewaltiger, ein polygamer Lüstling, der strategisch verteilt zwischen seinen Hunderten Wetterstationen auf warme Betten hoffen konnte? Deutschland kann all das nicht fassen, der Fall polarisiert alsbald jene, die ihn verdammen und andere, die ihn als Opfer einer rachsüchtigen Frau sehen, seiner Ex-Geliebten Simone D.

Schlank und gebräunt

Kachelmann, er leugnet alle Vorwürfe bei der haftrichterlichen Vernehmung und schweigt seitdem in seinem Prozess, der im Herbst vor dem Landgericht Mannheim begann. Aufgedunsen und mit zotteligem Haar, ganz wie man ihn in seiner letzten Phase als Wettermoderator im Ersten kannte, ging er in die Untersuchungshaft. Schlank und gebräunt wird er Ende Juli aus dem Gefängnis entlassen. Weißes T-Shirt, lässige Jeans. Nun kann man ihn sich wieder als Charmeur, als Don Juan vorstellen.

Sein Prozess ist noch längst nicht zu Ende, da hat er sich schon als Moderator zurückgemeldet. Seit Januar moderiert er das Wetter für Radio Basel, seit Anfang März für das Aschaffenburger Privatradio Primavera. Er ist ein hartnäc­kiger Typ, das hat er schon oft bewiesen. Als Sohn eines Oberinspektors der Deutschen Bundesbahn 1958 geboren, gibt es für ihn viele Jahre nur dieses eine Hobby: das Wetter. Er beobachtet, er notiert. Bald weiß er, dass er Meteorologe werden will.

Kachelmann weiß seine Chance zu nutzen

Er wird es jedoch nicht. Sein Studium in der Schweiz, Geografie, Mathematik und im Nebenfach auch Meteorologie, bricht er zwei Monate vor dem Examen ab. Nun volontiert er bei einer Boulevard-Zeitung, wird später gar Chefredakteur und mag dennoch vom Wetter nicht lassen. Unaufgefordert, wie er erzählt, habe er dem Südwestfunk monatelang Vorhersagen ge­schickt, bis der Sender ihm eine Chance gibt. Und Kachelmann weiß sie zu nutzen. Sein 1991 gegründetes Unternehmen Meteomedia AG im Kanton Appenzell und Bochum beschäftigt heute mehr als 100 Mitarbeiter, verfügt über 810 Wetterstationen. Jörg Kachelmann, der unkonventionelle, windgestählte Zottel, ist der Wettermann im Ersten.

Privat läuft es weniger gradlinig. Seine erste Ehe mit einer bekannten Mediendesignerin endet 1990, die zweite mit Denise W., mit der er zwei Kinder hat, wird 2009 nach fünf Jahren geschieden. Parallel dazu ist er sexuell äußerst umtriebig, pflegt diverse Verhältnisse zu „Lausemädchen“, wie er die Geliebten vereinfachend nennt. Er simst, mailt und telefoniert, kommt auf Stippvisite vorbei und gibt trotz des eher unverbindlichen Charakters dieser Beziehungen einigen dieser Frauen das Gefühl, die einzig-wahre, vielleicht die künftige Frau Kachelmann zu sein.

Spekulationen

Bis heute ist ungeklärt, wer Kachelmanns Geliebten Simone D. anonym jene zwei Flugtickets zuschickte, die ihr deutlich machten, dass es da eine andere gab. „Darüber ist viel spekuliert worden. Großer Frieden scheint in Kachelmanns Unternehmen nicht geherrscht zu haben. Eine denkbare Variante ist, dass die Tickets aus dem Unternehmen versandt wurden“, sagt Oberstaatsanwalt Oskar Gattner. Spekulationen fürwahr. Schließlich gab es auch genug Frauen, die eine offene Rechnung mit Kachelmann hatten.

Noch ist nicht klar, ob der Indizienprozess für Kachelmann gut ausgeht. Aber einiges spricht dafür. Der Wettermann arbeitet auf jeden Fall schon heftig an seiner medialen Rückkehr. Via Radio plaudert er wieder über „Flöckchli“ und „Schneehaufen“.