Essen. . In seinen Erpresserbriefen an den Discounter Aldi gab er sich als „Koslovski“ aus. 800.000 Euro forderte er und drohte, Lebensmittel zu vergiften. Am Freitag verurteilte ihn das Essener Landgericht zu fast fünf Jahren Haft.
Ungerührt wirkt er, als er sein Urteil hört. Vier Jahre und neun Monate muss der 66-jährige Oldenburger Wilfried R., der den Essener Aldi-Konzern erpresst hatte, ins Gefängnis, entschied das Landgericht Essen.
Es dürfte eine Tortur für ihn werden, wenn den Worten des Angeklagten über die bislang verbüßten sechs Monate Untersuchungshaft zu glauben ist. Erst zum Schluss hatte der geständige Stahlbaukonstrukteur, der Lebensmittel in den Regalen des Discounters mit Giftstoffen versetzt hatte, ein Wort der Entschuldigung für seine heimtückischen Taten gefunden. Zuvor hatte er sich aber tief erschüttert über die Zustände im Gefängnis beschwert: Dass er mit einem starken Raucher auf der Zelle lag, einer seiner Mitgefangenen „eitrige Pickel“ hatte, eine Zelle „nach Gully“ stank und ein anderer Mithäftling ein „eifriger Stehpinkler“ war. Das Mitleid der Prozessbeteiligten hielt sich aber in Grenzen.
Durch Zufall Erpresser ertappt
Staatsanwalt Thomas Holz hatte in seinem Plädoyer von der „erheblichen kriminellen Energie“ des Angeklagten gesprochen. 800.000 Euro hatte dieser von Aldi Nord zu erpressen versucht. Einmal hatte er Mundwasser mit Essig versetzt, einmal Apfelschorle mit Petroleum und in einer anderen Filiale in Norddeutschland Kleidungsstücke mit Schwefelsäure benetzt. Tatsächlich wäre es einmal sogar zur Geldübergabe gekommen. Doch Wilfried R., der sich schon in der Nähe befand, brach die Aktion ab, weil er sich beobachtet fühlte.
Mit riesigem Aufwand hatte die Essener Polizei in Zusammenarbeit mit den norddeutschen Behörden versucht, dem Mann auf die Schliche zu kommen, nachdem dieser im März seinen ersten Erpresserbrief geschrieben hatte. Nur durch einen Zufall – bei einer Wohnungsdurchsuchung in anderer Sache fanden sich die Erpresserbriefe auf seinem PC –hatte sie ihn gefasst.
Vollzug der Haftstrafe ausgesetzt
Er selbst hatte finanzielle Probleme als Grund für seine Taten genannt. Seine Firma habe immer weniger Aufträge bekommen, so dass er die Hypotheken für sein Haus nicht mehr aufbringen konnte. Eine Zwangsversteigerung, so der nicht vorbestrafte Familienvater, sei für ihn nicht in Frage gekommen.
Richter Bernd Koß erinnerte im Urteil daran, dass die geforderten 800.000 Euro das Defizit des Angeklagten weit überschritten hätten. Positiv rechnete das Gericht dem aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammenden Angeklagten an, dass keine wirkliche Gefahr bestand, weil die Manipulationen an den Lebensmitteln sofort auffallen mussten.
Wegen seines Alters und einer körperlichen Behinderung setzte die Kammer den Haftbefehl gegen den 66-Jährigen außer Vollzug. Als freier Mann durfte er, begleitet von seiner Familie, das Gefängnis wieder verlassen. In einigen Monaten wird er dann in seiner Heimat den Rest der Haftstrafe verbüßen müssen. Wie sagte er in seinem letzten Wort? „Wir müssen alle wieder ins Leben finden.“