Essen. . Koslovski nannte er sich und forderte vom Essener Aldi-Konzern Geld. Zum Prozessauftakt kommt es am heutigen Dienstag nicht, weil der 66-Jährige sich das Leben nehmen wollte.

800.000 Euro hatte der 66-Jährige vom Aldi-Konzern er­pressen wollen, hatte Ge­trän­ke ungenießbar gemacht. Am Montag, einen Tag vor seinem Prozess am Landgericht Essen, versuchte er, seinem Leben ein Ende zu bereiten.

Er ist aber außer Lebensgefahr. Der Prozess wird an ei­nem späteren Tag beginnen. Er­spart wird es dem selbstständigen Stahlbaukonstrukteur aus Oldenburg nicht, sich öffentlich den Vorwürfen zu stel­len, die er längst eingeräumt hat. Verteidiger Gerhard Thien: „Er ist voll ge­stän­dig. Die Erpressung war eine Verzweiflungstat. Der Mandant ist seit 1966 verheiratet, hat ein Haus. In der Krise gingen die Aufträge seiner Firma zu­rück. Die Pleite drohte, seine Frau ahnte davon nichts.“ Als durch und durch bürgerlich schildert er den Vater einer erwachsenen Tochter. Selbst die Kriminalpolizei habe zusammen mit dem Beschuldigten in der Polizeikantine zu Mittag gegessen, als sie mit ihm mehrere Tatorte seiner Manipulationen in Aldi-Filialen abfuhren.

Perfide ging er vor. Als der Konzern anfangs nicht reagierte, legte er in norddeutschen Filialen Flaschen mit Apfelschorle aus. Er hatte sie zum Teil entleert und mit Terpentinersatz wieder aufgefüllt. Der üble Geruch dürfte Kunden abgeschreckt haben. Immerhin hatte er vorher dem Konzern die betroffenen Filialen genannt. In Bremen bespritzte er Textilien mit Schwefelsäure, drohte zwischenzeitlich Aldi mit weiteren Aktionen, falls die Firma die Polizei einschalte.

Immer hektischer gestaltet er den Briefwechsel. Ein mitangeklagter Kreditbetrug, mit dem er 14.000 Eu­ro erschwindelte, belegt die akute Fi­nanznot des Ol­denburgers. Am 10. März 2010 hatte er unter dem Pseudonym „Koslovski“ Aldi Nord in Essen erstmals schriftlich aufgefordert, ihm 800.000 Euro zu geben und ei­ne Kontaktperson zu nennen. Bis zu seiner Festnahme am 28. September schreibt er rund 20 weitere Erpresserbriefe. Falls Aldi sich weigere, werde er Getränke mit Giftstoffen versetzen, drohte er von Anfang an. Später machte er Vorgaben für die Geldübergabe, die an eine Schnitzeljagd erinnern. Als er am 8. September ein Erpresserschreiben an die Tür einer Filiale in Delmenhorst klebt, merkt er, dass er beobachtet wird. Er fürchtet seine Enttarnung und stoppt alle Aktivitäten. Tatsächlich kommt die Kripo ihm nun auf die Spur. Allerdings helfen dabei auch die Ermittlungen wegen Kreditbetruges, durch das die Fahnder Zugriff auf seinen Computer bekommen.

Der Kontakt zwischen Konzern und Erpresser lief über von Aldi geschaltete Fa­mi­lien­anzeigen in norddeutschen Ta­geszeitungen. Dort dankte eine „Familie Koslovski“ unter Angabe von Nummern für die Pflege von „Mutter Erna Koslovski“. Im Internet sorgte das für wilde Spekulationen. In Blogs („Der Fall Erna Koslovski“) diskutierte das Netz voller Fantasie. An einen Werbegag der Tageszeitungen dachten die Internet-Experten, an Geocaching oder einen Mafiathriller - als Erklärung für „Erna Koslovski“ schien alles möglich. An eine reale Er­pressung als Hintergrund dachten nur wenige.